SCHUSS- UND STANDRUHE – Der umwerfende Jagdhund

Uwe Heiß

Schuss- und Standruhe: „Der hat halt unheimlich Passion“, sagt der freundliche Hundbesitzer, während sein Vierläufer an der Leine ziehend versucht, jeden Mitjäger anzuspringen. Seinen Artgenossen dagegen würde er am liebsten zeigen, wieviel Kraft in ihm steckt. Was beim morgendlichen Sammeln vielleicht noch hingenommen wird, kann auf der Jagd zu einem (lebens)gefährlichen Problem werden.

Schuss- und Standruhe
Kaum eräugt der Hund etwas Interessantes, …
Als wir auf einem Entenstrich alle unsere Stände eingenommen hatten, konnte ich an einem riesigen aber dennoch übersichtlichen Gewässer die Hundeführer mit ihren Vierläufern gut beobachten. Nachdem der erste Schoof beschossen wurde, war mir klar, warum einige Vierläufer wirklich besser im Auto geblieben wären. Nur ein einziger lag ruhig und zuverlässig frei neben seinem Führer. Von den übrigen war einer an einem Baum festgebunden, einer hing derart in der Umhängeleine an seinem Führer, dass er fast herumgerissen wurde, und ein anderer war an einem im Fachhandel erhältlichen Bodenanker festgemacht. Dieser Anker hat allerdings dem Beutetrieb des Hundes nicht standgehalten. Nach dem ersten Schuss nahm der Vierläufer sofort mit einem gewaltigen Sprung samt Kette und Anker das Wasser an, um „seine Ente“ zu apportieren.  Zum Glück hatte das Gewässer nur wenig Schilf und es waren wohl keine Äste oder dergleichen im Wasser, wo der Hund sich hätte verfangen können. Sonst hätte Herrchen wohl Rettungsschwimmer spielen müssen. Die im Auto zurückgelassenen Hunde wurden nach dem letzten Schuss zur „Nachsuche“ befreit. Sie nahmen nur wenig Notiz von ihren Hundeführern aber um so energischer das Wasser an, nachdem sie ihre Besitzer an der Umhängeleine Richtung Ufer gezogen hatten. Gelernt hatten sie vor allem: „Wenn ich laut und intensiv genug im Auto gefiept oder gebellt habe, dann kommt Papi, und ich darf die Enten holen.“ Nicht nur die Entenjagd, sondern die gesamte vergangene Jagdsaison hat wieder einmal gezeigt, dass Schuss- und Standruhe für viele Jagdhunde ein Problem darstellt. Gerade die Vierläufer der Vorstehschützen zeigen neben Winseln und Fiepen oft auch körperliche Aktivität, die den Jagdbetrieb stört. Denn neben der Akustik wird es manchmal äußerst gefährlich, wenn der Hund gerade dann in die Leine springt, wenn der Hundeführer seine Flinte in den Anschlag nimmt, um den anwechselnden Hasen zu beschießen. Ich habe neulich einen erfahrenen Niederwildjäger mit über 40 Jagdjahren gefragt, welche Eigenschaft ihm an einem Jagdhund auf einer Treibjagd am wichtigsten ist. Die Antwort war kurz: „Er sollte gehorsam sein und den Jagdbetrieb nicht stören.“ Stand- und Schussruhe ist ein Thema, welches sowohl züchterisch als auch ausbilderisch angegangen werden muss. Bereits bei der Zucht kann sehr großen Wert auf innere Ruhe und Führigkeit gelegt werden. Es sollte zu denken geben, dass viele höchstprämierte Hunde nicht mehr von „Ottonormalverbrauchern“ entspannt auf einer Jagd geführt werden können. Gelangen gerade solche „Hochleistungshunde“ vermehrt in die Zucht, bedarf es nicht viel Phantasie, wo die Reise züchterisch hingeht, wenn man nicht aufpasst. Das Kriterium, aus welchen Elterntieren ein Welpe bedenkenlos gekauft werden kann, sollte in erster Linie das erlebte Verhalten in der Jagdpraxis sein. Ich persönlich würde so weit gehen, keinen Welpen mehr zu kaufen, dessen Elterntiere in auf der Jagd winseln und fiepen. Der Marktplatz der guten Jagdgebrauchshunde ist nun mal die Jagdpraxis Bei der Ausbildung und dem Einjagen junger Hunde werden auch immer wieder viele Fehler gemacht. Im Münsterland wird gern die Taubenjagd als erste Form des jagdpraktischen Einsatzes gewählt. Da wird „Klein-Waldo“ neben Herrchen abgesetzt, ohne dass der Kleine vorher gelernt hat, auch mal etwas länger ruhig neben Herrchen zu sitzen oder zu liegen. Also beginnt der erste Jagdeinsatz mit dem Kampf, dem Hündchen das Ablegen beizubringen. Da Herrchen aber Tauben schießen will, fällt die nötige Konsequenz schnell der eigenen menschlichen Jagdpassion zum Opfer. Ist die erste Taube erlegt, muss natürlich sofort probiert werden, was „Klein-Waldo“ wohl mit dem Täubchen macht. Der war natürlich schon selbstständig aufgestanden und wird jetzt auch noch damit belohnt, ein frisch erlegtes Täubchen holen zu dürfen. Es sind durchschnittlich drei bis fünf solcher Erlebnisse nötig, bis „Klein-Waldo“ nach dem Schuss lautstark „ruft“, man möge ihn gefälligst schnallen. So ist Schuss- und Stand-Unruhe natürlich hausgemacht. Die meisten Jagdhundrassen sind leistungsmäßig so durchgezüchtet, dass sie von Grund auf lernen müssen, zu warten beziehungsweise nicht zu arbeiten. So sollte während der gesamten Ausbildung vom Welpenalter an das Warten ein möglichst selbstverständlicher Bestandteil des Alltags werden. Das Kommando „Sitz“ dürfte jeder Welpe zumindest im Zwinger oder im Haus mit zwölf Wochen beherrschen. Futter gibt es somit grundsätzlich nur, nachdem der Kleine eine Minute lang einen Meter vor dem Napf gewartet hat. Haus-, Terrassenund Zwingertüren dürfen nur auf Kommando durchschritten werden, wenn der Junghund vor der demonstrativ geöffneten Tür stehen oder sitzen geblieben ist.
… startet der sonst „so Gehorsame“ durch, …
Ungehorsam ist oft das Treffen eigener Entscheidungen! Das Verbleiben im Auto trotz geöffneter Heckklappe muss selbstverständlich sein. Wenn ein Hund in solchen Situationen selbstständig die Entscheidung treffen darf, aus dem Auto zu springen oder ins Haus zu laufen, warum sollte er dies nicht auch im Jagdbetrieb dürfen? Das hat er doch schließlich seine liebe lange Kindheit lang gelernt. Eine weitere fundamentale Grundlage für die Stand- und Schussruhe ist ein möglichst perfektes „Bei-Fuß-Gehen“ und bleiben. Das selbstständige Durchstarten eines Hundes aus der „Bei-Fuß-Position“ ist ein unerwünschtes, selbstständiges Aufheben genau dieses Kommandos. Es wird bei der Ausbildung des jungen Hundes viel zu wenig geschossen. Eine 6-mm-Schreckschusspistole und ein Rapid-Launcher gehören zur Grundausstattung bei der Jagdhundausbildung. Ab dem Zeitpunkt, an dem ein Hund im Feld ein Stoppkommando beherrscht, sollte bei vielen Übungen, wenn Wild abgeht oder bewusst hochgemacht wurde, nach dem Verharren des Hundes geschossen werden. Der Rapid-Launcher gehört wohl deswegen zu den wertvollsten technischen Entwicklungen der letzten Zeit, weil sich ohne lästiges
Nachladen hintereinander viele Dummys (Apportel) abschießen lassen.
Der Gang mit dem zunächst angeleinten und später freilaufenden Hund gehört fast zum Standard vieler Trainingsnachmittage. Ich begehe mit einem zunächst angeleinten Hund eine Fläche, die keinen oder nur sehr kurzen Bewuchs aufweist. Die Höhe des Bewuchses ist deshalb entscheidend, weil die liegenden Dummys gut zu sehen sein sollten. Alle zehn bis 20 Meter schieße ich mit dem Rapid-Launcher einen Dummy zirka zehn Meter vor uns auf den Boden, so dass er nach dem Aufprall noch einige Hüpfer macht, bevor der Dummy liegen bleibt. Vor allem die Hüpfer sprechen den Beutetrieb des Hundes sehr an. Ich laufe, den Hund „Bei-Fuß“ haltend, in Richtung Dummy. Dort angekommen, setze ich den Hund zwei Meter davor ab, gehe zum Dummy, hebe es auf und gehe wieder zum Hund. Diese Prozedur wiederhole ich danach. Je nach Alter des Hundes bis zu zehn mal. Bei jungen Hunden reichen ein bis zwei Wiederholungen, damit sie nicht zu aufgeregt werden. Apportieren darf der Hund in jedem Falle nur, wenn er nicht nur Gehorsam, sondern auch entspannt neben mir ist. Wenn der Hund diese Übungen besonders gut beherrscht, sollten mehrere Hunde mit ihren Führern dazu genommen werden. Auch dieses Training dient dazu, die Gelassenheit zu fördern und Beuteneid zu unterdrücken. Extrem betrachtet, schadet es keinem Hund, wenn er über einen langen Zeitraum fast gar nicht apportiert.
Wenn der Hund die Kommandos „Sitz“, „Komm“ und das Apportieren bereits gut beherrscht, arbeite ich den Hund weiterhin auf einem Feld mit niedrigem Bewuchs. Nach einigen Unterordnungsübungen wird der Hund an der langen Leine abgesetzt. Ich entferne mich von dem Hund auf Leinenlänge. Danach wird ein helles Dummy, welches auf dem kurzen Bewuchs sehr gut zu sehen ist, über den Hund hinweggeworfen. Ist das Dummy gelandet, rufe ich den Hund erst zu mir. Sitzt der Hund korrekt „Bei-Fuß“, schicke ich ihn nach einer kleinen „Gedenkminute“ zum Apportieren.
… ohne auf sein Herrchen zu achten, …
Für den Hund ist es wichtig zu begreifen, dass nicht alles was fällt, sofort zu apportieren ist. Er muss lernen, auch andere Kommandos vor dem eigentlichen Apportieren auszuführen. Werden die Apportel zirka zehn Meter rechts oder links des Hundes mit Schuss geworfen und dann andere Vierläufer zum Apportieren geschickt, ist dies eine gute Gehorsamsübung – und mit Sicherheit nicht die einfachste. Wenn der Hund diese Übung gut beherrscht, wird frei, also ohne Leine weitergeübt. Ich setze meine Hunde auch oft frei ab und schieße mit dem Rapid-Launcher Dummys aus einiger Entfernung an dem Hund vorbei. Danach nehme ich diese dann aber selbst wieder auf. Heikel wird es bei vielen Hunden am Wasser. Ich persönlich bin der Meinung, dass bei der Arbeit eines „Azubis“ am Wasser die anderen Hunde nicht ins Auto gehören. Wenn die weggesperrten Hunde mitbekommen, wie am Gewässer geübt wird, neigen diese oft dazu, im Auto laut zu werden. Wird ein solcher Hund anschließend ans Wasser geführt, hat dieser wohlmöglich die Fehlverknüpfung: „Gebe ich Laut, holt Herrchen mich zur Wasserarbeit aus dem Auto“. Besser ist es, mit dem Hund am Gewässer zu stehen und ihn zusehen zu lassen. Wird der Hund dabei unruhig, kann der Führer darauf einwirken und Grundgehorsamsübungen machen, um ihn abzulenken. Denn trotz Ablenkung sollte vom Führer immer Gehorsam eingefordert werden. Sehr gut ist es auch, mit mehreren Hunden in einer Reihe am Wasser zu stehen und Dummys mit Schuss ins Wasser zu werfen. Apportieren darf immer nur ein Hund der ruhig und Gehorsam neben seinem Führer sitzt. Die Standruhe kann auch an der Schliefenanlage verbessert werden. Wenn der Hund bereits sehr gehorsam ist, kann er in der Mitte oder in der Nähe der schliefenden Hunde abgelegt werden – natürlich ohne die Schliefenfüchse zu irritieren. Dort ruhig zu verharren, ist für Hunde mit Erfahrung an Füchsen schon eine gehörige Leistung – mit praktischem Wert für die Baujagd.
Mit diesen und anderen Übungen kann dem Fieper und Winsler von seiner Jugend an vorgebeugt werden. Ist ein Hund bereits zum nervösen und notorischem Lautgeber geworden, lässt sich dieses mit viel Übung und Arbeit gut eindämmen. Ganz wegbekommen wird man es selten. Schuss- und Standruhe erhöht nicht nur den Gebrauchswert eines Jagdhundes ungemein. Es macht das Jagen wesentlich sicherer, erfolgreicher und vor allem entspannter.
… das alsbald auf dem Acker liegt!

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