Fachgerechtes Aufbrechen und Abhängen von Wild

Wild: Schlösseln oder Ringeln?

Der Beitrag zur Wildbretreifung in der DJZ  führte zu einer Reihe von positiven Leserreaktionen. Unter anderem wurde, wie auch während der vielerorts laufenden Wildbrethygiene-Schulungen, die Frage gestellt, ob man lieber bei der konventionellen Aufbrechmethode des Schloss-Öffnens bleiben soll, oder ob das „Ringeln“ besser sei? Hier eine kurze und praxisorientierte Gegenüberstellung des „Für“ und „Wider“

Fachgerechtes Aufbrechen und Abhängen
Dr. Wolfgang Schulte

Waren Sie kürzlich ebenfalls auf der Wildbrethygiene-Schulung zur Kundigen Person? Der Kommentar eines Jagdfreundes direkt nach dem Lehrgang lautete: „Teilweise weiß man nicht mehr, ob man lachen oder weinen soll. Demnächst dürfen wir wahrscheinlich nur noch mit keimfreien Gummischuhen, weißem Vollvisierschutzanzug und Einweghandschuhen in den Wald, um ein Stück aufzubrechen.“
Bei allem verständlichen Sarkasmus muss man aber sagen: Der während der diesjährigen Dortmunder Jagdmesse geschulte „Multiplikator“ der EU-Vorschriften und nationalen Verordnungen bemühte sich redlich, den Stoff möglichst interessant abzuspulen. Zudem bekommt man auf derartigen Veranstaltungen und im Blätterwald der Broschüren und Fachartikel manchmal interessante Anregungen, über die es sich nachzudenken lohnt.  Zum Beispiel über die Frage, was beim fachgerechten Aufbrechen als die bessere Methode gilt: Das Öffnen des Schlosses (das „Schlösseln“), oder das „Ringeln“?

Schlösseln

Das Öffnen des Schlosses stellt in unseren Breiten für den Normaljäger zweifellos die mit Abstand am weitesten verbreitete Aufbrechmethode dar. Kommt man dabei jedoch etwas von der Mittellinie
ab, geht der Schnitt ungewollt ein Stück tiefer in die beckennahe Keulenmuskulatur und verschmutzt, beziehungsweise entwertet dort weitere wertvolle Teile des Wildbrets. Aber auch bei einer sauberen,
mittigen Schnittführung werden die Oberschalen und damit ausgerechnet diejenigen Muskelpartien, die sowohl für die allgemeine Wildküche, als auch für das Räuchern von Wildschinken einen
hohen Wert haben, stets ein wenig „angesäbelt“. Oftmals gleiten dort auch die Innereien und Schweiß aus dem Stück heraus, sofern das Stück nicht hängend mit dem Haupt nach unten aufgebrochen
wird. Im Revier (bei der Einzeljagd) werden die meisten Stücke liegend aufgebrochen. Später verfärben sich dann die angeschnittenen und mit Innereien und Schweiß in Berührung gekommenen  Muskelbereiche (z. B. an den Keulen) während der Wildbretreifung in der Kühlung und trocknen an den Schnittflächen etwas aus. Bei der Weiterverarbeitung (Zerwirken, Einfrieren etc.) oder auch vor dem
Vakuumieren muss an diesen Stellen daher nochmals eine Schicht Muskelgewebe abgeschärft werden.

Ringeln

Beim Ringeln bleiben die wertvollen Keulen unversehrt und von Teilen der Decke oder Schwarte bedeckt. Das Stück sollte dabei jedoch immer mit dem Kopf nach unten hängend aufgebrochen werden. Nur dann gleiten herausgeschärfte Innereien und Schweiß lediglich an den weniger wertvollen Wildbretpartien vorbei. Der After des erlegten Stücks wird mit einem scharfen (!) Messer vorsichtig ringförmig herausgeschnitten. Danach wird der Darm von der aufgebrochenen Innenseite her nach unten herausgezogen. Beim Heraustrennen  darf der Enddarm auf keinen Fallingeritzt oder durch unsachgemäße Schnitte beschädigt werden, denn es treten an den Schnittstellen Darmbakterien aus, die sich dann eventuell innen zwischen den Keulen und im Bauchraum ausbreiten und das wertvolle Wildbret rasch verderben lassen. Außerdem kann das Messer beim Ringeln durch Darmbakterien
verunreinigt werden und diese auf andere Wildbretbereiche übertragen. Von Dr. Armin Deutz (vgl. „Die 10 Gebote für die Wildbrethygiene“. – Tagung für die Jägerschaft d. Bundesanstalt f. alpenländische Landwirtschaft, am 15./16. 2. 2000 in A-8952 Irdning) und zahlreichen anderen Autoren wird deutlich  und der Zeit zwischen dem Erlegen und Aufbrechen abhängt. Die Darmbarriere für Bakterien und
Gase bricht bekanntlich schon nach 30 bis 45 Minuten zusammen. Ferner geht man davon aus, dass in einem Gramm Losung neben zahlreichen anderen Bakterienarten bis über 100 Millionen
Colikeime und in einem Gramm Panseninhalt rund 30 Millionen Bakterien enthalten sind. Da versteht es sich von selbst, dass bei Waidwundschüssen ein sehr großzügiges Ausschärfen der Ein- und
Ausschussberiche erforderlich ist und dass jegliche Verunreinigungen des Wildbrets durch Pansen-oder Darminhalt unbedingt vermieden werden müssen. In dieser Hinsicht kann das Ringeln ein Risiko bedeuten, falls dabei tatsächlich der Darm beschädigt wird. Ergänzend ist bezüglich der generellen Hygieneaspekte noch anzumerken, dass der (staubfreie) Transport und die Art der Lagerung
bereits aufgebrochener Stücke sicherlich ebenfalls eine Rolle spielen.

Geschlösselt wird im Hängen.
Das Messer sollte nicht zu breit
sein, damit man sauber um den
Darm herumschneiden kann.
So sieht der fachgerecht
herausgearbeitete Enddarm aus.
Die Keulen sind unversehrt.
Welche Aufbrechmethode ist die bessere?

Die Frage nach der besseren Aufbrechmethode in Hinblick auf das „Schlösseln“ und „Ringeln“ wird von Deutz nicht eindeutig beantwortet, da seiner Meinung nach beide Methoden gewisse Vorzüge,
aber auch Nachteile haben. „Grundsätzlich“, so schreibt er deshalb, „ist die Methode die bessere, die man besser beherrscht.“ Da ist sicher sehr viel Wahres dran, doch hilft uns das für die Praxis?
Der erfahrene Jäger und Metzgermeister Joachim Reske aus Bornheim bei Bonn, der jedes Jahr bei Ansitz-Drückjagden das erlegte Wild professionell aufbricht, bezieht  Stellung: „Bei größeren
Bewegungsjagden, wo wir die ganze Strecke zentral aufbrechen, kommen die Stücke zumeist auf den Aufbrechbock. Es wird bis zur Kehle aufgeschärft, danach das Schloss geöffnet, Innereien und
Schweiß werden entfernt. Dann spritzen wir die Stücke großzügig mit Wasser aus, hängen sie (Haupt/Kopf nach oben) auf und lassen sie gut abtropfen. Danach kommt das Wild schnellstmöglich
meist für vier bis fünf Tage in die Kühlung (5 bis 7 Grad Celsius).Diese Form des Aufbrechens geht in der Regel wesentlich schneller, als wenn die Stücke hängend aufgebrochen werden müssen, wie
dies vor allem beim fachgerechten Ringeln zwingend erforderlich ist, um die Vorteile auszuschöpfen. Dazu ist außerdem eine ganze Reihe von Helfern erforderlich, da die Stücke an den Sehnen der
Hinterläufe aufgehängt werden müssen. Bei schweren Stücken muss darüber hinaus meist ein Frontlader oder anderes technisches Gerät (Seilwinde, Kettenzuge etc.) eingesetzt werden. Dies ist jedoch nicht überall möglich und die Zahl der Helfer ist oftmals beschränkt. Beim Ringeln muss der After der erlegten Stücke jeweils penibel herausgeschärft werden. Selbst der Profi braucht dafür weitaus mehr Zeit,
als für das Öffnen des Schlosses erforderlich ist. Dem Nichtfachmann unterlaufen dabei nicht selten Fehlschnitte, die durch Darmbakterienaustritt die Wildbretqualität gefährden, oder die verwendeten Messer sind völlig ungeeignet. Achim Reskes persönliches Fazit zur Frage „Schlösseln oder Ringeln“ ist daher klar: Der Jäger, der die Methode fachgerecht und gut beherrscht, kann seine Stücke ringeln und bekommt als Gegenwert für den Mehraufwand nach der Wildbretreifung hochwertige Keulen in völlig unversehrtem Zustand. Als deutlich schnellere und unkompliziertere Aufbrechmethode (insbesondere auch beim Versorgen von größeren Strecken) bevorzuge ich aber nach wie vor das Öffnen des Schlosses.“
Wildbret ist ein Genussmittel erster
Güte. Sauber aufgebrochen und zerwirkt
ist das A und O – ob geringelt
oder traditionell aufgebrochen
spielt dabei noch keine Rolle.
Das klassische Aufbrechen ist nach
wie vor eine gute Methode, wenn
fachgerecht gearbeitet wird. Bei
diesem Stück Rotwild ist aber einiges
schief gegangen: Die Keulenmuskulatur
ist auf beiden Seiten
großflächig eingeschnitten, zudem
ist viel Laub im Inneren des Stückes.
Auch die an sich sinnvollen
Lüftungsschnitte bei schweren
Stücken an den Blättern sind
nicht tief genug und nur einseitig
gesetzt. Hier muss bis auf den
Rippenbogen geschnitten werden,
damit es tatsächlich auslüften
kann. Um das Stück für den Eigengebrauch
zu retten, sollte mit
viel sauberem Wasser gearbeitet
werden.
Mit oder ohne Decke/Schwarte in die Kühlung?

Manche Jäger hängen ihre Stücke seit vielen Jahren nur noch „haarlos“ in die Kühlung. Der Praktiker Achim Reske meint dazu: „Wer über eine eigene Kühlung verfügt, der kann sämtliche Stücke auch
bereits vor dem Abhängen aus der Decke schlagen beziehungsweise abschwarten. Wichtig: Es sollten dann aus naheliegenden wildbrethygienischen Gründen aber keine Stücke in der Decke/Schwarte
dazugehängt werden! Das sogenannte ‚Fließ‘, die nach dem Abziehen verbleibende hauchdünne Bindegewebshaut über dem Muskelgewebe, trocknet in der Wildkammer beim Abhängen lederartig
aus, doch das mindert die Wildbretqualität in keiner Weise, wie uns auch Amtsveterinäre immer wieder versichern. Es macht dann jedoch hinterher einige Arbeit, die angetrocknete Haut beim Zerwirken (vor dem Vakuumieren, Einfrieren, Verwerten) vom Wildbret abzuziehen oder abzuschärfen. Dies trifft unter anderem auf Rehwild zu. Fachgerecht abgeschwartete Sauen behalten dagegen oftmals
eine schützende dünne Schicht Weißes über den wertvollsten Teilen (Keulen und Rücken), die beim Zerwirken teilweise nicht entfernt werden muss. Aber: Wird das eigene Wild zum Abhängen (Wildbretreifung) zusammen mit anderen Stücken zum Beispiel in eine öffentlich zugängliche Kühlung gehängt (in der zum Teil verdreckte, haarige und borstige Stücke zusammenhängen), dann sollte es aus den oben bereits genannten hygienischen Gründen auf jeden Fall sicherheitshalber in der Decke/ Schwarte reifen! Als Faustregel lasse ich schwächere Stücke (Rehwild, kleinere Sauen) mindestens zwei bis drei Tage in der Kühlung hängen, schweres Wild dagegen rund vier bis fünf Tage.“

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