Alte Jagdarten

Alte Jagdarten – vom Fuchsprellen, Hasenbugsieren und Otterstechen

So manche frรผhere Methode, Beute zu machen, mutet uns heute fremd, ja abstoรŸend an.
Professor ยญJohannes Dieberger wagt einen Blick in das Kuriositรคtenkabinett รผberholter Jagdweisen.

Alte Jagdarten
Festinjagd in Leonberg anlรคsslich der Hochzeit von Herzog Karl von Wรผrttemberg im Oktober 1748
Die unterschiedlichenJagdmethoden und alte Jagdarten, die die Menschen seit der Erfindung der Jagd entwickelten, waren vom technischen Fortschritt und von der jagdlichen Motivation abhรคngig. รœber Jahrtausende wollten unsere Vorfahren lediglich mit einfachen Mitteln Wildbret und Rohstoffe gewinnen. Erst in den letzten 10 000 โ€“ 12 000 Jahren, seit Erfindung der Landwirtschaft, hatten die Menschen auch sportliche und kulturelle Interessen am Waidwerk. Eine sehr alte Jagdart ist die Parforcejagd, die in ihren Vorlรคufern
schon in der Altsteinzeit, in der Antike und auch im Mittelalter angewandt wurde.
Beim Prellen wurde das Wild, hier Fรผchse, durch wiederholtes Hochschleudern zu Tode geworfen.
Dabei wurde ein grรถรŸeres Stรผck Wild ausdauernd verfolgt, bis es nicht mehr konnte oder wollte und sich stellte.Spรคter setzte man dafรผr Hunde ein. Die Jรคger folgten zu FuรŸ beziehungsweise zu Pferd, nachdem auch dieses domestiziert war. In der Antike standen bei der Jagd der Vermรถgenden sportliche Ertรผchtigung und Training fรผr den Krieg im Vordergrund. In Rom schรคtzte man sie zwar nur wenig, aber man erfand dort die verwerflichste sowie die elitรคrste Jagdmethode der Antike โ€“ die Kampfjagden in der Arena. Sie dienten nur der Sensationslust des Volkes und hatten mit Waidwerk kaum zu tun.

Der Vogelfang mit der Leimstange dagegen war 800 Jahre lang eine Herausforderung fรผr junge Rรถmer. Dabei musste der Fรคnger einen sitzenden Vogel mit einer Leimspindel berรผhren, die locker an der Spitze einer langen Stange steckte โ€“ eine anstrengende Methode fรผr eine dรผrftige Beute.

Die Ritterschaft des Mittelalters beschรคftigte sich nur mit โ€žkunstvollenโ€œ Tรคtigkeiten, wie beispielsweise der Kriegs- oder Dichtkunst. Dies galt auch fรผr das hรถfische Waidwerk, denn einfache Jagdmethoden waren nur Handwerk und daher eines Ritters unwรผrdig. Den grรถรŸten Teil des Wildbrets fรผr die hรถfische Tafel besorgte das Personal. Die Laufjagd auf Hirsch und Wildschwein, die Hetzjagd auf Schwarzwild und Bรคr sowie die Falknerei waren kunstvoll, also anstrengend und kompliziert. Deshalb wurden sie von den Edelleuten selbst ausgeรผbt.

Fรผr das hรถfische Waidwerk galt ein Hirsch erst ab zehn Enden als jagdbar, doch sollte er kein kapitales Geweih haben. Wenn die Berufsjรคger ein geeignetes Stรผck bestรคtigt hatten, folgte man diesem mit dem Leitยญrรผden, bis man es sehen konnte. Dann jagte die Hundemeute das Wild. Die Jรคger folgten zu Pferd. Wenn das Stรผck sich stellte, wurde es mit dem Hirschfรคnger oder dem Saudegen abgefangen.

Im Mittelalter und in der Renaissance schรคtzte man das seltene und schwer zu รผberlistende Raubwild noch als besonders wertvoll ein, denn es versprach interessantes Waidwerk. In den Hofkรผchen der Adeligen wurde Wildbret solcher Arten gern verarbeitet. Wie uns zahlreiche Miniaturen und Abbildungen zeigen, nahm der Fischotter einen Spitzenplatz ein. Seine Bejagung war anstrengend, sein Balg sehr wertvoll und sein Wildbret galt als eine beliebte Fastenspeise.

Beim Otterstechen machten Hunde die Wassermarder hoch, die dann mit Ottergabeln aufgespieรŸt wurden.

Fรผr das Otterstechen setzte man raubwildscharfe Hunde ein, die gerne ins Wasser gingen. Fรผr diese Jagd benรถtigte man Gewรคsser mit sauberem, sichtigem Wasser. Die Hunde durchsuchten das Gelรคnde und machten Otter, aber auch Biber hoch, die unter Wasser flรผchteten. Entlang der Ufer warteten die Otterjรคger und versuchten, das Wild mit der Ottergabel aufzuspieรŸen.

Diese Methode schรคtzten einige Spezialisten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Da gab es aber fast keine Otter mehr. Denn ab dem Barock hatte man aus jagdpolitischen Grรผnden versucht,, alles Raubwild auszurotten. Zudem galt dessen Wildbret nunmehr als ungenieรŸbar.

Nach erfolgreicher Beizjagd nimmt der Falkonier den Falken wieder auf.
Ein unbekannter Kรผnstler malte dieses Bild nach einem Kupferstich von Ridinger.

Alte Jagdarten – Im Mittelalter erlebte die Falknerei ihre ยญeuropรคische Blรผtezeit. Als kรถnigliches Vergnรผgen galt damals die Beizjagd auf Reiher und Kraniche. Viele Landesfรผrsten schรผtzten nun ihre Greifvรถgel, aber nicht aus Grรผnden des Naturschutzes, sondern weil sie diese als Beizvรถgel selbst vermarkten wollten.

Wรคhrend der Renaissance dachte man wirtschaftlicher. Die gewachsene Bevรถlkerung in den Stรคdten musste mit Nahrung versorgt werden. Das hatte auch Auswirkungen auf die Jagd: Insbesondere in den deutschsprachigen Lรคndern ging damals das Interesse an der Falknerei zurรผck, und die Parforcejagd geriet fast ganz in Vergessenheit. Nun waren Methoden gefragt, die hohe Ertrรคge lieferten.

Zu dieser Zeit erfand man in Deutschland das eingestellte Jagen, bei dem man in ยญeinem mehrtรคgigen Prozess das Wild aus einem grรถรŸeren Gebiet mit viel Personal, Netzen und hohen Tรผchern โ€“ aneinandergereihten, circa drei Meter hohen Leinwรคnden โ€“ in einen kleinen Bereich zusammentrieb. Am Jagdtag wurden dann groรŸe Mengen von Schalenwild abgeschossen, wozu noch keine besonders leistungsfรคhigen Waffen erforderlich waren.

Eine Lappenjagd auf Fรผchse hielt der Kรผnstler Flemming 1724 fest

Durch den DreiรŸigjรคhrigen Krieg, Missernten, Hungersnรถte und Seuchen war die Bevรถlkerung in Mitteleuropa auf die Hรคlfte bis ein Drittel zurรผckgegangen. Im Barock versuchten die absolutistischen Fรผrsten diese Schrecken durch Prunk und aufwendige Vergnรผgungen zu vergessen, was nur mithilfe unzรคhliger Leibeigener mรถglich war. Die Unterdrรผckung der Landbevรถlkerung durch die Jagd erreichte zu jener Zeit ihren Hรถhepunkt.

Die Falknerei erlebte im Barock eine Renaissance in einer prunkvollen Weise, beispielsweise am Hof des Kรถlner Kurfรผrsten und Erzbischof Clemens August. Zudem schรคtzte man, wie auch im Mittelalter, noch Netzjagden. Dabei trieb man Schalenwild, Raubwild, aber auch Hasen in Netze und fing sie mit der kalten Waffe ab.

Eingestellte Jagden wurden nun in viel aufwendigerer Form durchgefรผhrt. Oft lieรŸen die Fรผrsten den โ€žLaufโ€œ, wo das Wild abgeschossen werden sollte, durch Theaterarchitekten gestalten. Zur Erhรถhung des Spektakels, das als Prunk- oder Festinjagd bezeichnet wurde, brachte man zusรคtzlich Wild in Transportkisten herbei. Weniger umstรคndlich waren die Lappenjagden. Bei diesen konnte man fรผr grรถรŸere Treibjagden Personal und hohe Tรผcher einsparen, wenn man in Lichterhรถhe des Wildes Schnรผre mit Tuch- oder Federlappen spannte. Rotwild, Wรถlfe und Fรผchse hielten die Lappen gut, andere Wildarten beachteten sie nicht. Oft zeigten diese Stoffstรผcke das Portrรคt eines Tรผrken, weil man glaubte, dies kรถnnte das Wild besonders halten. Wenn aber zu heftig getrieben wurde, ging das Wild โ€ždurch die Lappenโ€œ.

Fรผr die aufwendigen Barockjagden konnte man Bรคren, Wรถlfe, Fรผchse und dergleichen nicht brauchen, da diese nur in geringeren Populationen vorkamen. Sie griffen aber doch in die Bestรคnde der fรผr diese Jagdform nutzbaren Wildarten ein. Deshalb intensivierte man die Jagd auf das wenig geliebte Raubwild und versuchte, es auszurotten. Dazu wurden Fallen, Angeleisen und Abschรผsse eingesetzt, und das Personal erhielt Abschussprรคmien.

So sah der Kรผnstler Franz Snijders (1579 โ€“ 1657) eine Bรคrenhatz. Wenn auch wohl nicht ganz realistisch dargestellt,
verdeutlicht die Szene, welche Gefahren solche Jagden โ€“ beispielsweise fรผr die Hunde โ€“ bargen

Die adeligen Damen und Herren vergnรผgten sich damit, lebend gefangene Fรผchse und anderes Raubwild zu prellen: Mit lรคngeren Netzen, die man plรถtzlich spannte, wenn das Wild darรผberlief, wurden die armen Tiere so oft in die Hรถhe geschleudert, bis sie verendet am Boden liegen blieben. Aber auch in Tierhetzen nach antikem Vorbild hat man Raubwild und andere Tiere zu Tode gequรคlt. In Wien gab es im Rokoko dafรผr eigene Hetzamphitheater.

Manchen Adeligen gefielen diese entarteten Jagdmethoden und Wildabschlachtungen nicht. Sie kehrten daher wieder zur Parforcejagd โ€“ diesmal nach franzรถsischem Vorbild โ€“ zurรผck. Bei dieser Jagdmethode ging es wieder nur um einen einzigen Hirsch, der mit groรŸem Zeremoniell und Hรถrnerschall von der Hundemeute verfolgt und mit dem Hirschfรคnger abgefangen wurde. Mancherorts erlegten die Jรคger das Wild aber auch mit Pistolen vom Sattel aus.

In Mitteleuropa hat man im spรคten Barock den Hirsch beim โ€žHalali sur piedโ€œ โ€“ also wenn er sich den Hunden stellte โ€“ oft nicht mehr abgefangen, sondern in einem Kรคfig abtransportiert, um ihn bei nรคchster Gelegenheit wieder einzusetzen. Das waren keine Jagden mehr, sondern Reitveranstaltungen. Parforcejagden fanden in Mitteleuropa bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges statt.

Ebenfalls zu Pferde wurden Hasenhetzjagden mit Windhunden veranstaltet. Der griechische Schriftsteller Arrian berichtete รผber eine kultivierte Form dieser Jagd bei den Donaukelten im 2. Jahrhundert. Im Barock fรผhrten die Jรคger zu Pferd einen โ€žStrick Windhetzerโ€œ, das waren zwei bis drei Windhunde, die mit ยญeinem Strick gehalten wurden. Wenn ein Hase hoch wurde, schnallte man die Hunde, die das Wild einfingen. Die Hasenhetze mit dem Solofรคnger, also mit einem einzelnen Windhund, wurde in ร–sterreich-Ungarn bis zum Ende der Monarchie 1918 ausgeรผbt. Mit dem Reichsjagdgesetz von 1934 wurden Hetzjagden mit Windhunden im Deutschen Reich verboten.

Bei Netzjagden trieb man das Wild in Netze, wo es mit der kalten Waffe abgefangen wurde.
Ganz ohne Hunde praktizierte man das Hasenbugsieren: Zwei bis drei Reiter versuchten einem flรผchtenden Hasen stรคndig den Weg abzuschneiden, bis dieser steif liegen blieb. Dann wurde er โ€žmit der Reitpeitsche zusammengehauenโ€œ. Bis zur Erlassung der verschiedenen Vogelschutzgesetze um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert beschรคftigte sich das Jagd- und Forstpersonal im Herbst mit dem Vogelfang am Dohnensteig. Dohnen sind Schlingen aus Rosshaar, in die man Drosseln und andere Arten mit Vogelbeeren lockte. Diese Fallen waren an gewundenen Wegen im Wald in unterschiedlichen Ausformungen angeordnet und wurden tรคglich zweimal kontrolliert. Die Nachfrage nach solchen Leckerbissen war auf den Mรคrkten sehr groรŸ, denn die Beute war weder zerschossen noch bestand Gefahr, dass man auf ein Schrotkorn biss.
Hasenhetze mit dem Solofรคnger: Diese Jagdart wurde in ร–sterreich-Ungarn bis zum Ende der Monarchie praktiziert.
Fotos: Archiv Dieberger, Deutsches Jagd- und Fischereimuseum,
Schloss Hohenbrunn, Markus Deutsch

 

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