Welcher Rehwildjäger hat sich bei der Altersansprache eines Bockes noch nicht geirrt? Kein Wunder – sagt PAVEL SCHERER und räumt mit Legenden, Sagen und Märchen auf.
Falsch! 70 Prozent der Altersschätzungen anhand der Gesichtsfarben sind nicht richtig, denn bei jedem Stück ändert sich die Maske mit dem Älterwerden individuell. Bekannt ist inzwischen auch, dass selbst regional die Gesichtsfarbe unterschiedlich ausgeprägt ist. Je nach Gebiet können hellere oder dunklere Masken der Böcke dominieren. An den Jährlingen kann man hervorragend erkennen, wie sich die Maske selbst im Verlauf der Jagdzeit wandelt. Besonders im September, wenn die Stücke durch das verfärben dunkler werden, sieht das Wild älter aus, als es wirklich ist. Wie sich die Gesichtszeichnung im Leben eines Stückes genau verändert, kann nicht mit ausreichender Sicherheit gesagt werden. Viele Regeln und noch mehr Ausnahmen machen die Maske zum Schätzen des Alters also weitestgehend unbrauchbar. Der Jäger sollte seinen Blick erst auf die irreführende Maske richten, wenn er das Alter eines Stückes durch bewährte und sichere Ansprechmerkmale ermittelt hat. Das verlässlichste Merkmal der Altersschätzung am lebenden Rehwild ist die Trägerstärke in Verbindung mit dem Körperbau des Stückes. Jährlinge erkennt der aufmerksame Jäger sofort an ihrer markanten Gestalt: Der Wildkörperer scheint schlank, der Träger ist dünn und lang, und das schmale Haupt sitzt hoch auf dem aufrechten Träger. Weil der Wildkörper noch nicht ausgewachsen ist, wirken die Läufe extrem lang und die Lauscher im Verhältnis zum Hauptsehr groß. Träger und Gestalt zweijähriger Böcke unterscheiden sich fast nicht von denen starker Jährlinge. In der Regel haben sie noch einen schlanken Träger, ein schmales, langes, spitzes Haupt und ein jüngeres Aussehen. Der Stich scheint klein, das gesamte Stück noch recht unmuskulös.
könnte das Stück durchaus zweijährig sein. Die Gesichtsfarben sind aber unsichere
Altersmerkmale und oft sehr unterschiedlich ausgeprägt. Ein gutes Beispiel hierfür
ist dieser Ende Mai erlegte Jährling
FOTOS: PAVEL SCHERER (7)
wesentlich älter erscheinen.
Wie unterschiedlich die Maske interpretiert werden kann, wird auch an älteren Böcken
deutlich: Auf Grund der Maske würde ma
Beide Böcke wurden Anfang Juni erlegt und sind nachweislich vier Jahre alt.
Träger – Die eindeutigen Merkmale eines Jährlings.
Widerrist tritt hervor. Träger und Gestalt solcher mittelalten
Stücke sind stärker geworden. Alte Böcke haben einen
deutlich kürzeren Träger und das Haupt wird tief getragen
verlagert sich zum Stich. Auch der Widerrist und die Hüftknochen
sind nun gut zu sehen.
Ende Mai erst ansatzweise mit dem Verfärben, das Gehörn ist aber schon komplett verfegt
schwacher Jährling hat zum gleichen Zeitpunkt in die Sommerdecke verfärbt, aber noch keinen einzigen Bastfetzen gefegt.
FOTO: UWE KRÜGER (3)
als „roter Bock“.
Drei- und vierjährige Böcke erobern sich selbst Territorien. In der Zeit zwischen Verfegen und Brunft sind sie sehr kampflustig und erneuern ständig die Plätzstellen an den Grenzen ihrer Einstände. Um ihre körperliche Stärke zu demonstrieren,wird intensiv gefegt. Sind sie dabei richtig in Rage gekommen, brechen sie häufig die Stämmchen der Bäume und Sträucherab oder reißen diese samt Wurzel aus dem Boden. Begegnet ihnen ein gleich starker Bock, liefern sich die beiden Kombattantenein heftiges Gefecht. Jüngere Böcke treiben sie konsequent aus ihremTerritorium. Ab einem Alter von fünf Jahren werden die Böcke sehr vorsichtig, behutsamund meiden andere Artgenossen. Selten kommt es noch zum Geplänkel. Schwache jüngere Böcke werden von ihnen sogar geduldet oder einfach ignoriert. Ihre Territorien markieren sie nicht mehr so deutlich und intensiv wie drei- oder vierjährige Stücke. Bevor diese alten Recken auf deckungsarme Flächen ziehen, sichern sie sehr lange. Im Falle einer Beunruhigung springen sie ohne großes Schrecken sofort ab.Die alten Böcke leben sehr versteckt in einem kleinen Gebiet und haben ihre Einstände in schwer zugänglichen und ruhigen Revierteilen. Der Jäger bekommt sie nur selten in Anblick. In der Blattzeit sind diese alten Böcke jedoch sehr aktiv und können öfter beobachtet werden.
Verhalten mittelalter Böcke ist, dass sie sich
mit jedem Artgenossen duellieren wollen.
ein fast komplett verfegtes, zweijähriges Stück. Der Bock rechts hat wohl vergessen, dass er mit fünf Jahren vor seinem Artgenossen
fegen sollte.
geschoben. Ein dem ersten Anschein nach
schwach veranlagter Bock kann also noch
ein stattliches Gehörn schieben.
mit freundlicher Empfehlung der Zeitschrift WILDUNDHUND
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