Wild: Schlรถsseln oder Ringeln?
Der Beitrag zur Wildbretreifung in der DJZ fuฬhrte zu einer Reihe von positiven Leserreaktionen. Unter anderem wurde, wie auch wรคhrend der vielerorts laufenden Wildbrethygiene-Schulungen, die Frage gestellt, ob man lieber bei der konventionellen Aufbrechmethode des Schloss-รffnens bleiben soll, oder ob das โRingelnโ besser sei? Hier eine kurze und praxisorientierte Gegenuฬberstellung des โFuฬrโ und โWiderโ
Waren Sie kuฬrzlich ebenfalls auf der Wildbrethygiene-Schulung zur Kundigen Person? Der Kommentar eines Jagdfreundes direkt nach dem Lehrgang lautete: โTeilweise weiร man nicht mehr, ob man lachen oder weinen soll. Demnรคchst duฬrfen wir wahrscheinlich nur noch mit keimfreien Gummischuhen, weiรem Vollvisierschutzanzug und Einweghandschuhen in den Wald, um ein Stuฬck aufzubrechen.โ
Bei allem verstรคndlichen Sarkasmus muss man aber sagen: Der wรคhrend der diesjรคhrigen Dortmunder Jagdmesse geschulte โMultiplikatorโ der EU-Vorschriften und nationalen Verordnungen bemuฬhte sich redlich, den Stoff mรถglichst interessant abzuspulen. Zudem bekommt man auf derartigen Veranstaltungen und im Blรคtterwald der Broschuฬren und Fachartikel manchmal interessante Anregungen, uฬber die es sich nachzudenken lohnt. Zum Beispiel uฬber die Frage, was beim fachgerechten Aufbrechen als die bessere Methode gilt: Das รffnen des Schlosses (das โSchlรถsselnโ), oder das โRingelnโ?
Schlรถsseln
Das รffnen des Schlosses stellt in unseren Breiten fuฬr den Normaljรคger zweifellos die mit Abstand am weitesten verbreitete Aufbrechmethode dar. Kommt man dabei jedoch etwas von der Mittellinie
ab, geht der Schnitt ungewollt ein Stuฬck tiefer in die beckennahe Keulenmuskulatur und verschmutzt, beziehungsweise entwertet dort weitere wertvolle Teile des Wildbrets. Aber auch bei einer sauberen,
mittigen Schnittfuฬhrung werden die Oberschalen und damit ausgerechnet diejenigen Muskelpartien, die sowohl fuฬr die allgemeine Wildkuฬche, als auch fuฬr das Rรคuchern von Wildschinken einen
hohen Wert haben, stets ein wenig โangesรคbeltโ. Oftmals gleiten dort auch die Innereien und Schweiร aus dem Stuฬck heraus, sofern das Stuฬck nicht hรคngend mit dem Haupt nach unten aufgebrochen
wird. Im Revier (bei der Einzeljagd) werden die meisten Stuฬcke liegend aufgebrochen. Spรคter verfรคrben sich dann die angeschnittenen und mit Innereien und Schweiร in Beruฬhrung gekommenen Muskelbereiche (z. B. an den Keulen) wรคhrend der Wildbretreifung in der Kuฬhlung und trocknen an den Schnittflรคchen etwas aus. Bei der Weiterverarbeitung (Zerwirken, Einfrieren etc.) oder auch vor dem
Vakuumieren muss an diesen Stellen daher nochmals eine Schicht Muskelgewebe abgeschรคrft werden.
Ringeln
Beim Ringeln bleiben die wertvollen Keulen unversehrt und von Teilen der Decke oder Schwarte bedeckt. Das Stuฬck sollte dabei jedoch immer mit dem Kopf nach unten hรคngend aufgebrochen werden. Nur dann gleiten herausgeschรคrfte Innereien und Schweiร lediglich an den weniger wertvollen Wildbretpartien vorbei. Der After des erlegten Stuฬcks wird mit einem scharfen (!) Messer vorsichtig ringfรถrmig herausgeschnitten. Danach wird der Darm von der aufgebrochenen Innenseite her nach unten herausgezogen. Beim Heraustrennen darf der Enddarm auf keinen Fallingeritzt oder durch unsachgemรครe Schnitte beschรคdigt werden, denn es treten an den Schnittstellen Darmbakterien aus, die sich dann eventuell innen zwischen den Keulen und im Bauchraum ausbreiten und das wertvolle Wildbret rasch verderben lassen. Auรerdem kann das Messer beim Ringeln durch Darmbakterien
verunreinigt werden und diese auf andere Wildbretbereiche uฬbertragen. Von Dr. Armin Deutz (vgl. โDie 10 Gebote fuฬr die Wildbrethygieneโ. – Tagung fuฬr die Jรคgerschaft d. Bundesanstalt f. alpenlรคndische Landwirtschaft, am 15./16. 2. 2000 in A-8952 Irdning) und zahlreichen anderen Autoren wird deutlich und der Zeit zwischen dem Erlegen und Aufbrechen abhรคngt. Die Darmbarriere fuฬr Bakterien und
Gase bricht bekanntlich schon nach 30 bis 45 Minuten zusammen. Ferner geht man davon aus, dass in einem Gramm Losung neben zahlreichen anderen Bakterienarten bis uฬber 100 Millionen
Colikeime und in einem Gramm Panseninhalt rund 30 Millionen Bakterien enthalten sind. Da versteht es sich von selbst, dass bei Waidwundschuฬssen ein sehr groรzuฬgiges Ausschรคrfen der Ein- und
Ausschussberiche erforderlich ist und dass jegliche Verunreinigungen des Wildbrets durch Pansen-oder Darminhalt unbedingt vermieden werden muฬssen. In dieser Hinsicht kann das Ringeln ein Risiko bedeuten, falls dabei tatsรคchlich der Darm beschรคdigt wird. Ergรคnzend ist bezuฬglich der generellen Hygieneaspekte noch anzumerken, dass der (staubfreie) Transport und die Art der Lagerung
bereits aufgebrochener Stuฬcke sicherlich ebenfalls eine Rolle spielen.
Das Messer sollte nicht zu breit
sein, damit man sauber um den
Darm herumschneiden kann.
herausgearbeitete Enddarm aus.
Die Keulen sind unversehrt.
Die Frage nach der besseren Aufbrechmethode in Hinblick auf das โSchlรถsselnโ und โRingelnโ wird von Deutz nicht eindeutig beantwortet, da seiner Meinung nach beide Methoden gewisse Vorzuฬge,
aber auch Nachteile haben. โGrundsรคtzlichโ, so schreibt er deshalb, โist die Methode die bessere, die man besser beherrscht.โ Da ist sicher sehr viel Wahres dran, doch hilft uns das fuฬr die Praxis?
Der erfahrene Jรคger und Metzgermeister Joachim Reske aus Bornheim bei Bonn, der jedes Jahr bei Ansitz-Druฬckjagden das erlegte Wild professionell aufbricht, bezieht Stellung: โBei grรถรeren
Bewegungsjagden, wo wir die ganze Strecke zentral aufbrechen, kommen die Stuฬcke zumeist auf den Aufbrechbock. Es wird bis zur Kehle aufgeschรคrft, danach das Schloss geรถffnet, Innereien und
Schweiร werden entfernt. Dann spritzen wir die Stuฬcke groรzuฬgig mit Wasser aus, hรคngen sie (Haupt/Kopf nach oben) auf und lassen sie gut abtropfen. Danach kommt das Wild schnellstmรถglich
meist fuฬr vier bis fuฬnf Tage in die Kuฬhlung (5 bis 7 Grad Celsius).Diese Form des Aufbrechens geht in der Regel wesentlich schneller, als wenn die Stuฬcke hรคngend aufgebrochen werden muฬssen, wie
dies vor allem beim fachgerechten Ringeln zwingend erforderlich ist, um die Vorteile auszuschรถpfen. Dazu ist auรerdem eine ganze Reihe von Helfern erforderlich, da die Stuฬcke an den Sehnen der
Hinterlรคufe aufgehรคngt werden muฬssen. Bei schweren Stuฬcken muss daruฬber hinaus meist ein Frontlader oder anderes technisches Gerรคt (Seilwinde, Kettenzuge etc.) eingesetzt werden. Dies ist jedoch nicht uฬberall mรถglich und die Zahl der Helfer ist oftmals beschrรคnkt. Beim Ringeln muss der After der erlegten Stuฬcke jeweils penibel herausgeschรคrft werden. Selbst der Profi braucht dafuฬr weitaus mehr Zeit,
als fuฬr das รffnen des Schlosses erforderlich ist. Dem Nichtfachmann unterlaufen dabei nicht selten Fehlschnitte, die durch Darmbakterienaustritt die Wildbretqualitรคt gefรคhrden, oder die verwendeten Messer sind vรถllig ungeeignet. Achim Reskes persรถnliches Fazit zur Frage โSchlรถsseln oder Ringelnโ ist daher klar: Der Jรคger, der die Methode fachgerecht und gut beherrscht, kann seine Stuฬcke ringeln und bekommt als Gegenwert fuฬr den Mehraufwand nach der Wildbretreifung hochwertige Keulen in vรถllig unversehrtem Zustand. Als deutlich schnellere und unkompliziertere Aufbrechmethode (insbesondere auch beim Versorgen von grรถรeren Strecken) bevorzuge ich aber nach wie vor das รffnen des Schlosses.โ
Guฬte. Sauber aufgebrochen und zerwirkt
ist das A und O โ ob geringelt
oder traditionell aufgebrochen
spielt dabei noch keine Rolle.
wie vor eine gute Methode, wenn
fachgerecht gearbeitet wird. Bei
diesem Stuฬck Rotwild ist aber einiges
schief gegangen: Die Keulenmuskulatur
ist auf beiden Seiten
groรflรคchig eingeschnitten, zudem
ist viel Laub im Inneren des Stuฬckes.
Auch die an sich sinnvollen
Luฬftungsschnitte bei schweren
Stuฬcken an den Blรคttern sind
nicht tief genug und nur einseitig
gesetzt. Hier muss bis auf den
Rippenbogen geschnitten werden,
damit es tatsรคchlich ausluฬften
kann. Um das Stuฬck fuฬr den Eigengebrauch
zu retten, sollte mit
viel sauberem Wasser gearbeitet
werden.
Manche Jรคger hรคngen ihre Stuฬcke seit vielen Jahren nur noch โhaarlosโ in die Kuฬhlung. Der Praktiker Achim Reske meint dazu: โWer uฬber eine eigene Kuฬhlung verfuฬgt, der kann sรคmtliche Stuฬcke auch
bereits vor dem Abhรคngen aus der Decke schlagen beziehungsweise abschwarten. Wichtig: Es sollten dann aus naheliegenden wildbrethygienischen Gruฬnden aber keine Stuฬcke in der Decke/Schwarte
dazugehรคngt werden! Das sogenannte โFlieรโ, die nach dem Abziehen verbleibende hauchduฬnne Bindegewebshaut uฬber dem Muskelgewebe, trocknet in der Wildkammer beim Abhรคngen lederartig
aus, doch das mindert die Wildbretqualitรคt in keiner Weise, wie uns auch Amtsveterinรคre immer wieder versichern. Es macht dann jedoch hinterher einige Arbeit, die angetrocknete Haut beim Zerwirken (vor dem Vakuumieren, Einfrieren, Verwerten) vom Wildbret abzuziehen oder abzuschรคrfen. Dies trifft unter anderem auf Rehwild zu. Fachgerecht abgeschwartete Sauen behalten dagegen oftmals
eine schuฬtzende duฬnne Schicht Weiรes uฬber den wertvollsten Teilen (Keulen und Ruฬcken), die beim Zerwirken teilweise nicht entfernt werden muss. Aber: Wird das eigene Wild zum Abhรคngen (Wildbretreifung) zusammen mit anderen Stuฬcken zum Beispiel in eine รถffentlich zugรคngliche Kuฬhlung gehรคngt (in der zum Teil verdreckte, haarige und borstige Stuฬcke zusammenhรคngen), dann sollte es aus den oben bereits genannten hygienischen Gruฬnden auf jeden Fall sicherheitshalber in der Decke/ Schwarte reifen! Als Faustregel lasse ich schwรคchere Stuฬcke (Rehwild, kleinere Sauen) mindestens zwei bis drei Tage in der Kuฬhlung hรคngen, schweres Wild dagegen rund vier bis fuฬnf Tage.โ