Eine lange Morgenpirsch

Mittlerweile ist es stockfinster, die Arbeit erledigt, die Waffe im Schrank und ich sitze mit einem Bier bei meinem Vater und erzähle über einen Tag mit Morgenpirsch, den ich so bisher so noch nicht erlebt habe.
Aber was ist passiert?

Da wir noch Rehwild benötigten, wollte ich mich in der Früh auf einen Drückjagdbock setzen und das Rehwild bei dem Einwechseln in den Wald abfangen.

Der Wecker klingelte gegen 5:30 Uhr, meine Klamotten hatte ich am Vorabend schon zurecht gelegt. Schnell noch einen Kaffee trinken, Ausrüstung einpacken und ab in den Wald.

Ich genieße es, wenn ich mich bei vollkommener Dunkelheit an meinen Sitz anpirschen und sehen kann, wie der Wald langsam lebendig wird.

Mittlerweile ist es 7:30 Uhr und es herrscht totale Ruhe. In diesen stressigen und durchgetakteten Zeiten ein sehr schönes Gefühl.

Bis auf einige Mäuse, die ich mit der Wärmebildkamera erkennen kann, tut sich nichts. Aber was solls, auch wenn ich keinen Anblick habe, gehe ich mit einem guten Gefühl und zufrieden wieder nach Hause um mit meiner Familie zu frühstücken.

Aber jetzt tut sich doch was. Im Gegenhang wird es laut. Rehwild kann es doch nicht sein, oder etwa doch?

Ein kurzer Blick mit der Wärmebildkamera verrät, dass es die Schwarzkittel sind. Ca. 5 – 6 Überlaufer.

Wahnsinn denke ich mir, bisher habe ich bei einem Morgenansitz noch nie Schwarzwild vorgehabt.

Die Sauen sind noch am Hang und wollen wieder in den Einstand im Wald. Dafür müssen sie eine Wiese und anschließend einen Waldweg überqueren um in den Waldteil zu kommen, in dem ich sitze.

Mittlerweile brechen Sie auf der Wiese und ich überlege, was ich machen soll.

Entweder ich bleibe sitzen und hoffe, dass sie anschließend in meine Richtung ziehen, oder ich gehe über den trockenen, blätterbedeckten Boden und pirsche sie an.

Ich entscheide mich für die Pirsch, nehme meine Waffe, die Wärmebildkamera und meinen Schießstock und hoffe, dass sie mich nicht mitbekommen.

Ganz langsam, Schritt für Schritt komme ich der Wiese näher. Das Rascheln der Blatter unter mir, gibt mir kein gutes Gefühl.

Immer wieder überprüfe ich die Wiese mit der Wärmebildkamera. Die Sauen sind immer noch da und lassen sich nicht stören.

Kurz vor dem Waldweg bleibe ich stehen, um erneut einen Blick auf die Wiese zu werfen. Nur sind die Sauen jetzt nicht mehr da. Sofort kommen mir Zweifel, hätte ich doch lieber sitzen bleiben sollen?

Ändern kann ich es jetzt nicht mehr. Ich gehe den Waldweg einige Meter entlang und suche immer wieder die Umgebung mit der Kamera ab.

Wahnsinn, ich sehe sie wieder. Sie sind auf eine andere Wiese hinter einen Busch gezogen und brechen dort weiter.

Mein Problem ist, dass direkt vor mir ein dichter Bewuchs ist und ich kaum freies Schussfeld habe.

So leise wie möglich, gehe ich einige Meter und suche nach einem geeigneten Platz, um mich mit meinem Schießstock fertig zu machen. Jetzt kann ich nur hoffen, dass die Sauen genau in diesem kleinen freien Fenster passend verhoffen.

So langsam merke ich, wie mein Puls steigt und ich nervös werde. Vielleicht wird es ja heute früh doch noch was.

Die Sauen sind in Bewegung, ich kann sie alle als Überläufer ansprechen. Frischlinge sind keine dabei.

Es wird spannend, die Sauen kommen näher. Und der erste Schwarzkittel kommt ins Schussfeld, verhofft kurz, steht aber spitz zu mir.

Also weiter abwarten und auf die nächste Chance hoffen. Sie lässt nicht lange auf sich warten und der zweite Überläufer kommt und bleibt passend stehen.

Ganz langsam erhöht mein Zeigefinder den Druck auf den Abzug. Der Schuss bricht und vorbei ist es mit der morgendlichen Ruhe.

Die Sauen flüchten in einem tosenden Lärm in alle Richtungen. Ich beobachte aber nur die Beschossene und hoffe, dass es eine kurze Nachsuche wird.

Ich warte einige Minuten und suche das Gelände mit der Wärmebildkamera ab, finde aber nichts.

Habe ich doch vielleicht einen Ast getroffen, der das Geschoss abgelenkt hat, oder war mein Schuss einfach schlecht!?

Beim Anschuss kann ich nichts finden. So langsam werden meine Zweifel stärker. Ich rechne damit, dass ich gefehlt habe: Aber die Sau hat doch gezeichnet, oder etwa doch nicht?

Es hilft alles nichts. Es muss nachgesucht werden. Ich rufe Hans an, den Onkel meiner Frau. Wenn er mit seiner BGS-Hündin Xara nichts findet, wer sonst?

Da Hans noch mit anderen Nachsuchen beschäftigt ist und er erst am Nachmittag kommen kann, entscheiden wir gemeinsam, dass ich mit meinem Deutsch Kurzhaar den Anschuss überprüfe. Tara ist 8 Monate alt, hat eine sehr gute Nase und wird, so bin ich mir sicher, ihr Bestes geben.

Vielleicht finden wir gemeinsam einen Tropfen Schweiß, der uns den Weg zur Beschossenen zeigt.

Gemeinsam mit einem Mitjäger fahren wir wieder zur Wiese und überprüfen den Anschuss vorab nochmal gemeinsam, aber auch 4 Augen finden nichts Neues.

Anschließend gehe ich mit Tara zum Anschuss und lasse sie suchen, und tatsächlich findet sie nach ca. 100 Metern den ersten Tropfen Schweiß.

Sehr gut denke ich mir, jetzt wird es nicht mehr lange dauern und wir können den Schwarzkittel gemeinsam bergen.

Nachdem wir Tara wieder ins Auto gebracht haben, versuchen wir der Wundspur zu folgen. Immer wieder finden wir einzelne Tropfen Schweiß.

Nachdem wir nach einigen Minuten erfolglos gesucht haben, entscheiden wir abzubrechen. . Es ist eindeutig, dass es eine längere Nachsuche wird und hoffen, dass Hans und Xara uns zur Gesuchten führen.

Wir fahren nach Hause und ich rufe Hans an. Wir vereinbaren, dass er kommt, sobald er die anderen Nachsuchen beendet hat.

Ich kann es kaum abwarten, bis wir mit der Nachsuche anfangen und die Zeit zieht sich unendlich.

Nachdem wir uns getroffen haben, zeige ich den Anschuss und den gefundenen Schweiß.

Xara nimmt auf sofort die Fährte auf.

Immer wieder finden wir einzelne Tropfen Schweiß und ich hoffe, dass wir die Sau gleich finden werden und die Nachsuche ein Ende hat.

Leider aber soll es vorerst nicht so kommen. Die Nachsuche führt uns quer durchs Revier.

Mittlerweile weiß ich gar nicht mehr genau wo wir sind, Xara arbeitet aber weiterhin die Fährte sehr gut ab.

Immer wieder kämpfen wir uns durch Dickungen und hoffen, dass sich das Stück Schwarzwild niedergetan hat. Immer wieder werden wir enttäuscht, die Nachsuche geht weiter.

Wieder kommt eine Brombeerdickung und ein Funke Hoffnung keimt auf.

Noch währenddessen ich mich durch die Dickung arbeite, sehe ich auf einmal ein Stück Schwarzwild auf der Flucht aus den Brombeeren.

Hans schnallt Xara und sie nimmt die Verfolgung auf, lässt das Stück aber nach kurzer Zeit ziehen und sprintet in eine andere Richtung.

Durch den Lärm haben wir das kranke Stück, das sich in der Nähe niedergetan hat, ebenfalls hoch gemacht. Xara hat es erkannt und nimmt die Hetze auf.

Jetzt auf einmal wieder Ruhe. Die Sauen und Xara sind weg.

Wir bahnen uns den Weg aus den Brombeeren und versuchen den Hund mittels GPS-Empfänger zu finden.

Mittlerweile ist sie über einen Kilometer entfernt und wir versuchen Beiden so schnell es geht zu folgen.

Knapp 200 Meter vor der angezeigten Stelle können wir bereits Standlaut wahrnehmen. In der Hoffnung, dass die Nachsuche nun bald vorbei ist, kommen wir immer näher.

Es wird immer lauter und als wir das Keilerchen in Schussentfernung vor uns haben, bekommt es uns mit und sucht wieder das Weite.

Hans und ich entscheiden, dass ich das Auto von ihm hole, damit wir schneller auf größere Entfernungen reagieren können.

Immer wieder können wir den Standlaut des Hundes wahrnehmen.

Wir vereinbaren, dass wir uns trennen: Hans verfolgt das Signal im Wald.

Da wir der Straße immer näher kommen, werde ich in diese Richtung fahren und ggf. ankommende Fahrzeuge warnen.

Als ich aus dem Auto aussteige, sind Hund und Sau dem Hören nach max. 100 – 150 Meter von mir entfernt.

Nachdem Hans die Straße erreicht, fahren wir gemeinsam in die Richtung des Standlauts.

Als wir austeigen, können wir beide auf der gegenüberliegenden Wiese sehen. Die Sau steht spitz auf uns zu. Ich hole schnell meine Waffe aus dem Fahrzeug und möchte den Fangschuss antragen.

Elfmeter, die Sau steht frei und der Hund ist weit genug weg.

Als sich der Schuss löst, flüchtet die Sau in den Wald.

Verdammt, ich habe eindeutig gefehlt. Nun habe ich noch eine Patrone im Lauf.

Das Auto lassen wir nun stehen und nehmen gemeinsam die Verfolgung auf.

Wieder Standlaut, der Hund macht seine Arbeit einfach gut.

Wir arbeiten uns den Hang hoch und kommen den Lauten wieder näher.

Das Wildschwein steht nun breit auf eine Entfernung von ca. 10 Metern vor mir. Da ich Hans und Xara nicht sehe und deren Position nicht kenne, ist an einen Schuss nicht zu denken.

Nach einigen Sekunden ist die Möglichkeit wieder vorbei, da die Gesuchte erneut in die Brombeeren zieht.

Jetzt sind wir ihr so nah und doch so fern.

Das Licht wird weniger, wir haben nur noch einige Minuten.

In mir steigt Wut über mich selbst auf. Ich schieße ein Lebewesen krank und finde es noch nicht mal. Soll sie sich die ganze Nacht quälen, bis wir am nächsten Morgen weiter suchen können?

Ich stelle mich nun in eine aussichtreiche Schussposition und hoffe, dass Hans und Xara die Sau raus drücken können.

Entgegen unserem Plan nimmt die Sau Hans an. Zwei Schüsse auf kurzer Distanz verfehlen ihr Ziel.

Jetzt habe ich das Keilerchen 15 Meter vor mir, nehme ihn ins Zielfernrohr, schwinge mit, habe aber wegen dem Hund, der direkt hinter dem Borstigen läuft, keine Chance auf einen Schuss.

Bevor ich mir ein Bild von der Lage machen kann, sind Sau, Hund und Hans im dichten Bewuchs verschwunden.

Ich höre den Hund, den Schwarzkittel und die Rufe von Hans, da dieser keinen Schuss mehr hat.

Als ich bei allen ankomme, hat Xara die Sau gestellt. Ich gehe nach kurzer Rücksprache mit Hans in Anschlag und warte bis Xara ausreichenden Abstand hat, damit ich den Schuss antragen kann.

Jetzt haben wir 16:44 Uhr – Ruhe kehrt ein und wir sind glücklich, dass wir das kranke Stück gefunden haben und das Leid beenden konnten.

Insgesamt haben wir eine Strecke von 10 Kilometer zurückgelegt.

Jetzt muss ich an die Jogger im Wald denken, war deren Training effektiver?

Nachdem ich mich auf dem Weg zum Auto mache, kommen zufällig befreundete Jäger vorbei, die mich ein Stück mitnehmen und uns beim Bergen helfen.

Das Stück ist versorgt, ich habe mich bei allen Beteiligten bedankt. Jetzt brauche ich einige Minuten für mich.

hans

Ich habe sehr viel gelernt und bin für diese Erfahrung dankbar.

Trotzdem denke ich über das Leid nach, welches ich zugefügt habe.

Ob ich schlecht geschossen habe, oder ein Ast den Schuss abgelenkt hat, kann ich im Nachhinein nicht sagen.

Ich werde es nicht klären können, suche aber auch keine Ausreden, da ich für meinen Schuss verantwortlich bin.

Aber auch das ist Jagd.

Mit einem Waidmannsheil

Torben Petry

 

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