Entenjagd-Wirrwarr: Gründel-, Tauch- und Bastardenten
Typische Szene am Stadtgewässer: Stockentenmischlinge zwischen wildfarbenen Vertretern. Andreas David erläutert, wo und warum sie auftreten und ob sie dem Entenbesatz schaden. Darüber hinaus hat er die richtigen Tipps zum Ansprechen auf dem Abendstrich.
Es ist ein milder, aber trotzdem klarer Herbstabend. Zwar geht etwas Ostwind, doch selbst der ist nicht unangenehm kalt. Längst hat sich die Abenddämmerung über die Landschaft gelegt, und es herrscht am Wasser diese typische Stille, die jeder Entenjäger kennt, wenn er gespannt auf den ersten Schwingenschlag der Breitschnäbel wartet.
Es geht los
Da ist schon das bekannte Pfeifen der Entenschwingen! Ein Schoof von sieben, acht Enten, die noch etwa 80 Meter entfernt sind. Im hellen Westhimmel sind die Silhouetten bereits gut zu erkennen – alle etwa gleich groß, und der Schwingenschlag, der relativ schmale Körper sowie das gedämpfte und vertraute „Rääb-Rääb“ der Erpel verraten, dass es sich um Stockenten handelt. Kurz nach dem ersten Schuss klatscht die Ente in den Flusslauf, der zweite Versuch verfehlt sein Ziel. Doch holt mein Jagdfreund, der 50 Meter links von mir steht, noch eine der nun wieder höher werdenden Enten gekonnt vom Himmel. Deutsch Drahthaar „Suse“ apportiert Erpel und Ente, und erneut beginnt das gespannte Warten.
Während es bei der Wasser-Treibjagd am Tage leicht fällt, Geschlechter und Arten sicher anzusprechen, birgt der abendliche Entenstrich bei unzureichender Erfahrung mitunter eine Restunsicherheit. Dies vor dem Hintergrund, dass – von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich – stets nur bestimmte Entenarten erlegt werden dürfen. In einigen Ländern ist im Regulierungswahn der Ministerien und Senate nur die Stockente übrig geblieben; so in Berlin, Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz und Thüringen.
Entenjagd: Sicheres Ansprechen
Da es sich bei den abendlich anfliegenden Breitschnäbeln nicht nur um Stockenten handelt, gilt es, vor allem die Unterschiede im Flugbild und den Lautäußerungen zwischen Schwimm- und Tauchenten zu kennen. Zunächst sind sämtliche heimischen Tauchenten deutlich kleiner. So misst die Stockente durchschnittlich etwa 58 Zentimeter, dagegen zum Beispiel die Tafelente nur 46 und die Reiherente lediglich 43 Zentimeter, was einem Größenunterschied von etwa 25 Prozent entspricht. Weiterhin erscheint der Körper der Tauchenten auch im Flugbild runder und im Verhältnis zur Körperlänge massiger, die Schwingen und der Schwingenschlag kürzer. Insgesamt sind sie schweigsamer, vor allem die Weibchen rufen deutlich rauher und schnarrender (körr oder rarr) als die Quaklaute der Stockentenweibchen.
Außerhalb der Fortpflanzungsperiode, vor allem zur Zugzeit und in den Winterquartieren leben Enten gesellig. Besonders auf Flussmündungen, Seen und Buchten kommt es dann zu großen Ansammlungen gemischter Flüge. So kann es passieren, dass sich beispielsweise auch Krick- oder Knäkenten mit den Stockenten vergesellschaften und dann auch gemeinschaftlich anfliegen.
Vor allem Anfängern unterläuft mitunter der Fehler, dass sie die deutlich kleineren Enten im Schoof als junge Stockenten ansprechen. Um dies zu vermeiden, muss sich man nur merken, dass Enten einer Art im Flugbild gegen den Himmel fast immer gleich groß erscheinen – egal wie alt sie sind und welches Geschlecht sie haben!
Die einzigen Schwimmenten, die in etwa die Größe der Stockente erreichen, sind die Schnatter- und Spießente. Beide sind aber auch auf dem Zug und in der Überwinterungszeit in Deutschland sehr selten. Die Erpel der Spießente fallen durch eine sehr helle Unterseite und lange, für Enten ungewöhnlich schmale Schwingen auf. Darüber hinaus sind die Erpel durch die spießartig verlängerten mittleren Steuerfedern im Stoß unverwechselbar. Die kleineren Schnatterenten beiderlei Geschlechts wirken weniger massig und schmaler als Stockenten.
Die Praxis
Aus eigener Erfahrung von vielen Entenjagden kann ich jedoch sagen, dass nur in ganz seltenen Ausnahmefällen einmal eine Ente auf der Strecke lag, „die dort nicht hingehörte“. Insgesamt betrachtet, fällt – durch zahlreiche Forschungsergebnisse belegt – weiterhin auf, dass die Dynamik von Entenbesätzen in aller erster Linie von ökologischen Faktoren bestimmt wird und nicht durch die Jagd. Ein treffendes Beispiel ist die Ausbreitung des Brutareals der Tafel- und Reiherente von Ost nach West bis an die französische Atlantikküste – trotz einer dort intensiven Bejagung bereits ab Juli.
Weiterhin fällt auf, dass sich die Populationen zahlreicher Entenarten sehr positiv entwickelten, als die Jagdzeiten in Europa noch länger waren und, im Falle von Deutschland (bis 1977), noch fast alle Arten bejagt wurden (KALCHREUTER 1987). Ebenso zeigte sich, dass die Bejagung von Arten zur Zugzeit, deren Brutvorkommen im Überwinterungsgebiet relativ gering sind, den lokalen Besätzen offenbar nicht schaden. KALCHREUTER formulierte es so: „Sind örtliche Brutvögel selten in herbst- und winterlichen Wasservogelscharen, so kommen sie auch entsprechend selten zur Strecke und umgekehrt.“ Insgesamt zeigt sich also, dass vieles dafür spricht, die derzeit geltenden Jagdzeitenregelungen auf diverse Entenarten in den Ländern erneut zu überdenken.
In jedem Fall ist es dringend notwendig, überall zu einer artscharfen Streckenstatistik zu kommen. Der Begriff „Wildenten“ in den Abschusslisten sollte endgültig der Vergangenheit angehören.
Die besondere Aufmerksamkeit der Jäger, aber auch der Ornithologen und anderer Spezialisten im Artenschutzes verdient darüber hinaus einerseits die Bastardierung von Entenvögeln, andererseits die sich ausbreitende Besiedlung fremder Arten.
Letzteres umso mehr, als dass seit den Anfängen der Ziervogelhaltung in den Menagerien des 18. Jahrhunderts bedeutende Fortschritte bezüglich der Haltung fremder Entenarten erzielt wurden. So ist es heute ohne weiteres möglich, zahlreiche Entenarten aus allen Kontinenten auch in Europa zu halten und zu züchten. Dies hat in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass die Zahl von Enten fremdländischer Arten, die aus den Gehegen von Liebhabern sowie aus zoologischen Gärten und Wildparks in die freie Wildbahn gelangten, automatisch anstieg.
Das trägt dazu bei, dass es nicht mehr möglich ist, bei Beobachtungen diverser Arten zwischen „Gelegenheits-“ beziehungsweise „Irrgast“ oder „Gefangenschaftsflüchtling“ zu unterscheiden. RUTSCHKE (1989) erstellte eine Liste von 17 nicht heimischen Arten, die mehrfach oder regelmäßig in Europa beobachtet werden. Dazu gehören auch Braut – und Mandarinente. Die Gefahren eventueller „Einbürgerungen“ – ob gezielt oder ungewollt – sind bekannt. Auch wenn es in Mitteleuropa noch nicht beobachtet wurde, zeigen Beispiele aus anderen Regionen, dass autochthone Enten arten durch den Konkurrenzdruck der „Neulinge“ verdrängt werden. So dominiert zum Beispiel die in Neuseeland ausgewilderte und in hohem Maße anpassungsfähige Stockente über die dort heimische Augenbrauenente, und in Spanien bedroht die eingeführte Schwarzkopf- Ruderente den autochthonen Besatz der Weißkopf-Ruderente (LINDEROTH 2004).
Weiterhin steigt die Wahrscheinlichkeit der Hybridisation. Denn obwohl sich die Arten hinsichtlich ihres Gefieders und Verhaltens sowie in der Lebensweise meist deutlich unterscheiden, lassen sich die meisten Spezies relativ leicht miteinander kreuzen.
Bastarde weit verbreitet
So sind von der Stockente mittlerweile Bastarde mit fast allen heimischen Schwimmenten, aber auch mit zahlreichen exotischen Arten bekannt. Selbst Kreuzungen von Schwimm- und Tauchenten – also aus zwei unterschiedlichen zoologischen Gattungen – wurden beobachtet (z. B. Stockente x Tafelente).
Der verstorbene international renommierte Entenvogel-Experte Professor Erich Rutschke beschrieb es so: „In zoologischen Gärten, in denen viele Entenarten gemeinsam gehalten werden, fällt es schwerer, Bastardierungen zu verhindern, als sie herbeizuführen.“ Auch ein Zeichen dafür, dass unsere Entenarten noch relativ jung sind.
Unter Freilandbedingungen ist die Wahrscheinlichkeit von Bastardierungen verschiedener Arten deutlich geringer. Was aber nichts an der Notwendigkeit eines bundesweiten Monitorings fremdländischer Enten- oder Vogelarten generell sowie entsprechenden jagdlichen Regelungen ändert. LINDEROTH (2004) stellt deshalb die berechtigte Frage, warum zwar die autochthonen Arten Stockente und Graugans, nicht aber die sich mit diesen einheimischen Arten kreuzenden Neozoen bejagt werden sollen.
Ein ebenso beachtliches Phänomen stellt die „Verhausgeflügelung“ der Stockentenvorkommen in urbanen Bereichen, aber auch darüber hinaus in Form zahlreicher fehlfarbener Tiere dar. Dabei handelt es sich – von wenigen natürlichen Farbabweichungen abgesehen – mehrheitlich zwar um Kreuzungen von Haus und Stockenten, jedoch nicht um wirkliche Hybride, denn fast alle Hausentenrassen sind auf die Stockente als Stammform zurückzuführen. Folglich liegt eine Kreuzung verschiedener Arten nicht vor (RANDLER 2002).
Der Bonner Wildbiologe Dr. Jürgen Eylert (1989) beschäftigte sich umfassend – auch aus genetischer und evolutiver Perspektive – mit der gehäuften Erscheinung fehlfarbener Stockenten, vor allem in Parkpopulationen. EYLERT stellte auch die Einkreuzung von Hausenten, unter anderen der zu jagdlichen Zwecken ausgesetzten Hochbrutflugenten, in den Focus seiner Betrachtungen, zeigte jedoch ebenso auf, dass das gehäufte Auftreten fehlfarbener Individuen auf Stadt- und Parkgewässern auch eine Folge unterschiedlichen Selektionsdrucks in freier Wildbahn und in städtischen Bereichen sein kann.
Dies vor dem Hintergrund, dass farbliche Abweichungen (Mutanten) einer erhöhten natürlichen Selektion ausgesetzt sind, die Extremabweichungen in freier Wildbahn gewöhnlich ausmerzt. Im Hinblick auf das Evolutionsgeschehen wird diese Selektion besonders dann bedeutsam, wenn unterschiedliche Fortpflanzungserfolge der Mutanten – in diesem Fall der Fehlfarbenen – die Häufigkeitsverteilung von Genen, also die Genfrequenz innerhalb einer Wildtierpopulation, verschieben. Nur werden einige dieser Selektionsmechanismen im „Extremlebensraum Stadtgewässer“ nicht mehr wirksam. Deshalb haben sich an lebensraumspezifische Regulations- und Selektionsbedingungen hochangepasste, weitgehend eigenständige Populationen geformt, worauf auch HOERSCHELMANN (1985) verweist: Hohe Individuendichte infolge eines lokal begrenzten Futterangebotes; Ganzjähriger hoher Erpelüberschuss; Länge der Fortpflanzungsphase; Höherer Anteil fehlfarbener Tiere als in Populationen des Umlandes; Spezifischer, dem Besucherstrom folgender Aktivitätsrhythmus; Ausgeprägte Ortstreue und relativ geringer Zuzug fremder Artgenossen.
2. Das spontane Auftreten von Farbabweichungen infolge von Inzucht unter domestikationsähnlichen Bedingungen.
Dafür spricht die bekannte Tatsache, dass sich der Anteil fehlfarbener Stockenten sofort und deutlich verringert, je weiter man sich von den menschlichen Ballungszentren entfernt. FRANK SONNENBURG und MICHAEL SCHMITZ untersuchten die Häufigkeit fehlfarbener Stockenten im Ballungsraum Rhein-Ruhr an 58 Parkgewässern, 13 Fütterungstellen an der Ruhr und fünf Ruhrabschnitten außerhalb der Fütterungstellen in den Jahren 1997 und 2004. Dabei veränderten sich die Anteile der „Fehlfarbenen“ nur leicht und nicht signifikant. An den Parkgewässern von 13,8 auf 13,9 Prozent, an den Fütterungsstellen von 12,5 auf 10,4 Prozent und an den Abschnitten außerhalb der Fütterungsstellen von 3,6 auf 3,1 Prozent.
So sind nach EYLERT diese Parkenten-Populationen in wesentlichen Kriterien bereits als ökologische Rasse oder Standortform einzustufen, wobei das Auftreten domestikationsähnlicher Merkmale als Hinweis darauf gewertet werden kann, dass in solchen „Extrembiotopen“ der Haustierhaltung ähnliche Lebensbedingungen vorliegen. Auch SONNENBURG & SCHMITZ (2007) beschreiben, dass sich die beiden Erklärungsansätze für das Auftreten farbveränderter Stockenten an Parkgewässern vermutlich überlagern:
1. Das Einkreuzen von Hochbrutflugenten und anderen Hausentenrassen.
2. Das spontane Auftreten von Farbabweichungen infolge von Inzucht unter domestikationsähnlichen Bedingungen.
Dafür spricht die bekannte Tatsache, dass sich der Anteil fehlfarbener Stockenten sofort und deutlich verringert, je weiter man sich von den menschlichen Ballungszentren entfernt. FRANK SONNENBURG und MICHAEL SCHMITZ untersuchten die Häufigkeit fehlfarbener Stockenten im Ballungsraum Rhein-Ruhr an 58 Parkgewässern, 13 Fütterungstellen an der Ruhr und fünf Ruhrabschnitten außerhalb der Fütterungstellen in den Jahren 1997 und 2004. Dabei veränderten sich die Anteile der „Fehlfarbenen“ nur leicht und nicht signifikant. An den Parkgewässern von 13,8 auf 13,9 Prozent, an den Fütterungsstellen von 12,5 auf 10,4 Prozent und an den Abschnitten außerhalb der Fütterungsstellen von 3,6 auf 3,1 Prozent.
Insgesamt ist das Auftreten von Farbabweichungen bei Stockenten nicht neu. FREY (1948) beschreibt, dass in Leverkusen Mischlinge zwischen Stock- und Hausenten schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht selten waren.
Was tun?
Abschließend stellt sich die Frage, ob man den „Fehlfarben“ mit jagdlichen Mitteln begegnen sollte. Angesichts der hohen Anteile auf Gewässern in Großstädten mit bis zu 50 Prozent (z. B. München), dort gänzlich fehlender Möglichkeiten einer jagdlichen Einflussnahme sowie einer zeitlich nicht absehbaren Veränderung der dortigen Bedingungen bleiben berechtigte Zweifel. In wirklich ländlichen Bereichen sollte unser Hauptaugenmerk dagegen schon auf den fehlfarbenen Exemplaren liegen. So können wir zwar den weiteren Zuzug von fehlfarbenen Enten aus den Städten nicht stoppen, ihre Zahl aber zumindest minimieren.