Fuchsbau befahren, Teckel hinein – der Rote springt! Zwischen 25 und 30 Füchse pro Saison sprengt Hans-Jürgen Plescher zusammen mit seinem Sohn Matthias, einigen Jagdfreunden und seinen wackeren Dachshunden. WILD UND HUND stapfte mit den Experten durch „Klein-Kanada“ im Bergischen Land und klapperte Kunst- und Naturbaue ab.
Julia Numßen
Branco“ schlieft ein. Er kennt den Kunstbau, ist hier schon oft drin gewesen, aber heute ist alles anders. Der junge Teckelrüde macht sich etwas kleiner und zwängt sich durch die Röhre. Interessiert bewindet er den Boden. Heute steht hier eine ganz besondere Wittrung. Und sie ist ganz frisch. Vorsichtig und langsam arbeitet sich der junge Rüde vorwärts. Er
zieht die Luft ein. Die Wittrung strömt regelrecht auf ihn zu, wird immer intensiver.
Hans-Jürgen Plescher, zuständiger Förster für das Revier rund um die Große Dhünn-Talsperre des Wupperverbandes, lädt seine 16er Querflinte. Er ist ein Kanada-Fan und dieser Landstrich im Bergischen Land mit seinen vielen Seen und Flußarmen erinnert ihn daran. Deshalb nennt er sein Jagdgebiet liebevoll „Klein-Kanada“. Sohn Matthias, der versetzt zehn Meter neben ihm steht, hat seine Flinte bereits zugeklappt und starrt auf die Röhre, an der er seinen jungen Hund gerade geschnallt hat. Freund Ralf Drosten steht weiter unten, falls der Fuchs, wenn er denn steckt, vorbeigeschosssen wird und Richtung
Damm flüchten will. Vater und Sohn horchen angestrengt. Gibt der Hund Laut? Schwierig auszumachen, denn der Schnee liegt hier heute über 40 Zentimeter hoch, dämmt und schluckt Geräusche.
Doch Reineke ist bereits getroffen, schwenkt unsicher die Lunte. Aber er dreht nicht ab Richtung Damm zu Ralf, sondern flüchtet in ein Gehölz – „Branco“ jiffend hinterher.
Der Hund bleibt dran. Matthias klappt die Flinte auf, kämpft sich durch den hohen Schnee, verliert dabei seinen Hut und ruft: „,Branco’ stellt ihn!“ Jetzt muss es schnell gehen. Der alte Plescher brummelt nur: „Keine Sorge, den kriegen wir.“ Im Gehölz wütender Standlaut. „Branco“ umschlägt den Räuber, der sich plötzlich flach auf den Boden
presst und seinen Fang aufreißt. Der Teckel wirbelt um ihn herum, aber Reineke bleibt liegen. Doch Vorsicht! Die Gehöre sind aufmerksam gespitzt und die Vorderläufe angespannt. Matthias ist jetzt auf 20 Meter rangekommen, lädt die Flinte und klappt sie zu. Doch „Branco“ lässt nicht ab, umkreist den keckernden Räuber. „Komm hierher, ,Branco’!
Los!“, ruft Matthias. Und tatsächlich, der junge Rüde lässt sich abrufen. Der Fuchs aber flüchtet nicht, sondern bleibt bewegungslos liegen. Matthias backt an und schießt. Dann ist Ruhe. Hans-Jürgen Plescher ist seit 32 Jahren als Förster für den Wupperverband zuständig. Sein Revier umfasst 440 Hektar Wasserfläche und 765 Hektar Wald. Diese Talsperre ist mit 81 Millionen Kubikmetern Fassungsvermögen eine der größten Deutschlands. Hieraus wird das Trinkwasser für Wuppertal, Solingen, Remscheid, Leverkusen und das übrige Bergische Land gewonnen. Die Wasserfläche und ein 100
Meter breiter Schutzstreifen sind als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Der Rest wird
normal bejagt: Sauen, Rehwild und Füchse. „Wir haben hier über 30 Naturbaue, in
denen natürlich auch der Dachs steckt. Vor ein paar Jahren hab’ ich mir zusätzlich fünf
Kunstbaue ins Revier setzen lassen.“ Plescher erlegt seine Füchse grundsätzlich nur im Winter, „wenn der Balg reif ist“. Jungfüchse im Sommer pardoniert er. „Die können hier keinen Schaden anrichten. Bei uns gibt’s ja gar kein Niederwild im klassischen Sinne – außer dem Rehwild.“ Wenn festgestellt wird, dass sich unter den Füchsen Räude oder Tollwut ausbreitet, stellt er den Räubern natürlich zu jeder Zeit nach, „das ist ja klar“. Doch beides ist nicht in Sicht, und so können sich die Füchse im Sommer an der großen Dhünn-Talsperre entspannen. Im Winter allerdings ist die Schonzeit vorbei.
der Naturburg sieht das dann schon anders aus. Da springt der Fuchs nicht so schnell.“
Der Hund hält sich entsprechend länger unter der Erde auf, und der Lehm- oder Sandboden speichert Geruchstoffe länger als Beton. Aber egal, ob der Teckel in den Naturoder
Kunstbau gelassen wird, der Orthovox- Sender ist immer „am Hund“. Hans-Jürgen Plescher: „Mir ist es einmal passiert, dass der Teckel einen Fuchs aus dem Kunstbau
gesprengt hat, ich den Fuchs vorbeischoss und der, mit dem Hund im Schlepptau, in den Naturbau abdüste. Ich hatte meinem Teckel keinen Peilsender umgehängt, nach dem Motto: Ist ja nur ein Kunstbau.“ Und weg war der Hund. Natürlich ist er dann wieder irgendwann aufgetaucht, aber Hans-Jürgen Plescher hatte ein flaues Gefühl in der Magengegend. „In meiner ganzen Laufbahn musste ich nur dreimal graben. Aber dann ist es von Vorteil, wenn man den Hund von oben anpeilen kann und eben genau weiß wo er
steckt.“ Deshalb wird ab 14 Uhr auch kein Hund von Plescher mehr in den Bau gelassen,
falls man eben doch buddeln muss. „Wenn ich schon den Spaten anpacke, dann bei Tageslicht. Alles andere ist Blödsinn.“ Wichtig ist übrigens, dass nach solch einer Aktion die Röhre, an der der Einschlag gemacht wurde, mit Hilfe eines Brettes wieder repariert wird. „Sonst gibt’s Durchzug, und der Fuchs kommt nicht mehr nach Hause.“ Vor drei Jahren musste Plescher wieder einmal zur Schaufel greifen. Sein Teckelrüde „Chris“ gab unter der Erde giftig Laut, aber Plescher stand vor einem Rätsel. Was war da los? „Der Dachs rumort im Bau, das spürt man unter den Füßen, den Fuchs hört man ab uns zu keckern – aber das war keiner von beiden.“ Die Jagd ging hin und her – so etwas hatte der „Sprengmeister“ noch nicht erlebt. Irgenwann hatte er die Faxen dicke und machte dank Peilsender einen
genauen Einschlag. Und was kam zum Vorschein? Ein Waschbär! Der hatte seinem
Teckelrüden ordentlich zugesetzt, eine Ecke aus dessen Behang rausgerissen. Schnell den Hund herausgenommen und den Waschbär erlegt. Heute hängt „Maske“ über dem Garderobenständer – als Pelzmütze.
„Waschbären sind Zigeuner, krabbeln in Kunst- und Naturbaue, sind überall und nirgendwo.“ Sie hinterlassen schon öfter ihre Visitenkarte in dem Naturschutzgebiet,
vor allem an Wanderwegen, an denen Müllkörbe stehen. „Wenn der ganze Kram wie ausgekippt herumliegt, war hier garantiert ein Waschbär zugange, der nach ein paar Leckereien geguckt hat.“ Zurück zu Reineke: Neben den Kunstbauen sind überschaubare Naturbaue ideal zu bejagen. „Ehemalige, so genannte Ausweich-Burgen von Dachsen, die aus zwei oder drei Röhren bestehen, kontrolliere ich besonders gern.“ Dann werden zwei, drei Mann auf rund 60 Meter Entfernung in einem Dreieck abgestellt und nur der Hundeführer schleicht vorsichtig auf den Bau. „Hundeführer ist Jagdleiter, der stellt auch
ab – Regel Nummer eins.“ Regel Nummer zwei: So wenig Schützen wie nötig auf den
Bau. Deshalb beim Anstellen einen großen Bogen schlagen und die Jäger in etwas Deckung abstellen. „Der Vorteil: Wenn die Schützen weiter wegstehen, dürfen sie auch mal mit den Füßen stampfen, wenn ihnen kalt ist. Bei der Entfernung bekommt der Fuchs das gar nicht mit.“ Regel Nummer drei: Ruhe, nur mit Handzeichen verständigen. Punkt vier: „Ganz wichtig: Der Wind darf keine Menschenwittrung Richtung Bau tragen. Entsprechend
muss auch abgestellt werden.“ Punkt fünf: Wenn der Fuchs springen will, nicht gleich schießen, nur weil man die Gehöre sieht. „Hitzige Schützen oder Hundeführer sind an und auf dem Bau nicht zu gebrauchen. Bin ich Hundeführer, schieße ich nur dann, wenn der Fuchs den Bau wieder annehmen will.“ Wenn aber alles richtig gemacht wird, der Räuber springt und der Hundeführer auf der Burg nicht sofort die Waffe hochreißt, flüchtet Reineke meist ins Unterholz und kann von den abgestellten Schützen erlegt werden – sofern sie ihn denn treffen.
Sobald der Räuber aber etwas von den Schützen mitbekommt, nimmt er lieber die nächste Röhre an. „Und das darf nicht passieren, denn dann hat der Hund die doppelte Arbeit.“ Ein weiterer Vorteil, wenn die Schüsse nicht direkt auf dem Bau fallen: „Sollte ein weiterer Fuchs unter der Erde stecken, springt er natürlich schneller, weil die Schüsse lange nicht so dicht und bedrohlich klingen.“ Außerdem wollen die Mitjäger auch gern mal Beute machen und nicht nur als Komparsen dumm in der Gegend herumstehen. Regel Nummer sechs: Der Hund hat immer Recht. „Ich gehe mit meinem ,Chris’ leise über den Bau, lasse ihn kurz an den Röhren winden. Wenn er dann nervös wird und an der Leine zieht, sind das für mich deutliche Anzeichen dafür, dass jemand zu Hause ist.“ Nimmt der zehnjährige Rüde, der inzwischen über 150 Füchse aus den Bauen gejagt hat, aber lieber die Nase hoch und beginnt nach Rehen Ausschau zu halten, können die Jäger beruhigt zum nächsten gehen. „Der weiß inzwischen, worauf es ankommt.“ Noch eins: Der Fuchsrüde
springt in der Ranz meistens zuerst. Die Fähen lassen sich etwas länger bitten. Natürlich muss man diese sechs Regeln auch beachten, wenn man am Kunstbau jagt. Da allerdings gilt es, sehr schnell zu sein. Der „Sprengmeister“: „Sobald derFuchs aus dem Bau raus ist: Feuer!“ Aus einem Kunstbau hatte „Chris“ einmal drei Füchse gesprengt. Da ist man über
jeden Nebenmann froh, der seine Waffe noch geladen hat. „Sonst kann man die Kunstbaue gut alleine abklappern, wenn man denn mit der Flinte ordentlich trifft. Aber zu zweit oder zu dritt macht es einfach mehr Spaß. Und die Erfolgsaussichten sind natürlich auch um einiges besser.“
hilft viel.“ Matthias geht auf den frisch erlegten Räuber zu, lässt seinen Teckel an der Fähe
zauseln. „,Brancos’ erster Fuchs!“ Der Plescher- Sohn, der auch wie sein Vater Förster
ist und seine Revierförsterprüfung gerade absolviert hat, nimmt Reineke auf. „Haste
gesehen, Vater, der Fuchs hat sich einfach tot gestellt!“ Hans-Jürgen Plescher nickt nur und sagt: „Das ist das Faszinierende für mich bei der Baujagd: Man erlebt immer wieder etwas Neues.“