Jagdliches Brauchtum

Praxishandbuch Jagd
Der folgende Artikel “Jagdliches Brauchtum” wurde uns freundlicherweise vom Kosmos Verlag zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um einen Auszug aus dem “Praxishandbuch Jagd” herausgegeben von Walter Bachmann und Rolf Roosen und zuletzt vollständig aktualisiert von Ekkehard Ophoven.

Es kann hier erworben werden.

Waidgerechtigkeit – So alt wie die Jagd, so alt ist  jagdliches Brauchtum .

Seit jeher unterliegt es einem beständigen Wandel. Die Jäger bestimmen und pflegen ihre
Bräuche bei der Jagd. Es sind – oft örtlich geprägte – Gewohnheiten und Verhaltensweisen,
die sich bei der Jagd bewähren, unserem ästhetischen Empfinden entsprechen und auf Außenstehende vielleicht ein wenig ungewohnt, aber nicht abstoßend wirken. Jagdliches Brauchtum steckt voll Leben, es darf in keinem Einzelfall zu leerem Gehabe werden, nie erstarren. Waidgerechtigkeit ist ein häufig verwendeter Begriff, heute für viele schon veraltet, abgenutzt und überstrapaziert.

Auch im Bundesjagdgesetz ist er aufgenommen, im dritten Absatz des ersten Paragraphen. Anders als sonst bei Gesetzgebung und Rechtsprechung üblich, ist Waidgerechtigkeit bislang nicht präzise definiert oder verbindlich ausgelegt worden. Das fällt auch mit wenigen Worten schwer. Subjektive, eigene Auffassungen kommen zum Ausdruck. Der Jäger bejagt wild lebende Tiere in freier Wildbahn.

Zum einen bestimmt der Beutetrieb sein Handeln, zum anderen aber die Liebe zum Tier. Es ist fast unmöglich, Außenstehenden diesen scheinbaren Widerspruch mit Worten zu erklären. Der Jäger muss es vorleben, bei der Jagd unter Beweis stellen. Nicht immer wird dies überzeugend gelingen.

Waidgerechtes Handeln bezieht sich primär auf das Verhalten des Jägers zum Wild. Beide genannten Faktoren bestimmen das Verhalten. Das Verfolgen frei lebender Tiere, mit dem Ziel, sie zu erbeuten, muss ihnen eine Chance des Entkommens einräumen, mit vom Jäger sicher beherrschten Waffen, von gut ausgebildeten Hunden unterstützt werden und den Landesgesetzen entsprechen.
Der Jäger, von Passion getrieben – oft auch, seien wir ehrlich, verführt –, folgt also dabei nicht ungehemmt seinem angeborenen Beutetrieb. In ihm verlangt seine Tierliebe, seine Ehrfurcht vor allem Leben in der Natur, weit über das geschriebene Gesetz hinaus waidgerechtes Handeln.

Der bekannte Jagdhistoriker Kurt Lindner nennt dies den „moralischen Imperativ“, dem sich der Jäger mit Selbstdisziplin unterwirft. Lindner schließt in dieses Gebot die Verantwortung des Jägers gegenüber seinem jagdverbundenen Mitmenschen und gegenüber der Umwelt mit ein. Zweifellos gelingt dies in der Stille der Einzeljagd oder alleine mit seinem Hund bei der
Nachsuche am ehesten. Bei Treiberlärm am Kopf der Remise mit flinker Flinte ist solches
Besinnen sicher nicht gegeben. Aber „zurückfinden“ wird der Jäger nach einem solchen Jagdtag.

Noch eines fällt auf: Schon der blutjunge, wirkliche Jäger handelt waidgerecht, in allen Ländern der Welt, selbst dann, wenn er den Begriff gar nicht kennt. Es steckt eben drin. Jeder von ihnen empfindet es als unwaidmännisch, bei unzureichendem Licht den Finger krumm zu machen, an der regelmäßig und reichlich beschickten Futterstelle Wild zu „erschießen“ oder die wirklich zu weiten Enten mit der Flinte zu befunken. In Anlehnung an Ortega y Gasset: „Jäger töten, um waidmännisch gejagt zu haben, nicht aber, um beutelüstern auf der Jagd gewesen zu sein.“

Jägersprache und Jagdsignale

Personen an einem zur Strecke gelegten Hirsch
Peter Bachmann
Um Ihn Kollegen und Freunden gut zu präsentieren, hat er den Hirsch gerecht verbrochen. Jetzt wird auf “Jägersprache” gefachsimpelt.

Jägersprache

Die Jägersprache ist ein altes Kulturgut. Erste Belege datieren aus dem achten Jahrhundert. Sie dient in der Praxis dem schnellen und unmissverständlichen gegenseitigen Verstehen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart ist der jagdliche Wortschatz auf etwa 13 000 Ausdrücke mit zirka 40 000 definierten Bedeutungen angewachsen. Im jagdlichen Alltag verwenden wir nur 2 000 bis 3 000 dieser Fachwörter. Wer sich genauer über sie informieren will, lese zum Beispiel in Walter Freverts Standardwerk „Jagdliches Brauchtum und Jägersprache“ (Kosmos Verlag), das unter anderem ein Verzeichnis aller jagdlicher Ausdrücke enthält.

Jagdhornbläser
Karl-Heinz Volkmar
Anblasen! – Ein Vorstehtreiben im Wald ist ohne Jagdsignale nicht denkbar

Jagdsignale

Reinhold Stief unterscheidet drei Gruppen von Jagdsignalen: die Jagdleit-, die Allgemeinen und die Wild- oder Totsignale. Jagdleitsignale sind Verständigungssignale während der Jagd, die solistisch geblasen werden. Beispiele sind „Das Ganze, langsam treiben“ oder „Hahn in Ruh“. Allgemeine Signale sind Gruppensignale. Sie erklingen, wenn die Jagdgesellschaft versammelt ist, sei es nach der Jagd, „Jagd vorbei“, oder vor dem Schüsseltreiben, „Zum Essen“.

Wild- oder Totsignale sind Fanfaren, die jeweils den einzelnen Wildarten zugeordnet sind. Sie
ertönen am erlegten Einzelstück vor dem Aufbrechen und Streckelegen. Bei einer Gesellschaftsjagd aber nach dem Streckelegen in der Reihenfolge, in der die Wildarten auf der
Strecke liegen. Das melodische „Damhirsch tot“ oder muntere „Fuchs tot“ sind Beispiele.

Die Noten der gebräuchlichen Jagdsignale sind in der Grafik zu sehen.
Üblich in der Jagdpraxis ist das „Fürst-Pless-Horn in B“, kurz Plesshorn genannt. Brauchtumsgerecht wird es über der rechten Schulter des Bläsers getragen. Das Mundstück zeigt nach vorne unten.
Daneben finden das kleine, handliche Clewingsche Taschenhorn, die großen Parforcehörner
in B und C und der Sauerländer Halbmond Verwendung. Letzteres ist das traditionelle Jagdhorn der westfälischen Brackenjäger und wird links getragen.

jagdliches Brauchtum

Notne Jagdsignale
Das sind die wichtigsten Jagdsignale. Sie werden vor während und nach der Jagd geblasen.

Bräuche auf und nach der Jagd

Bruchzeichen

Brüche sind nach traditionellem Verständnis abgebrochene, in der Regel grüne Zweige bestimmter Baumarten.
Seit den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts gelten Eiche, Erle, Tanne, Fichte und Kiefer – auch Latsche und Zirbelkiefer – als bruchgerechte Holzarten. In weiter zurückliegenden
Zeiten war das noch anders. So galt beispielsweise die Rotbuche im 18. Jahrhundert als eine bruchgerechte Baumart. Brüche dienen der stillen Nachrichtenübermittlung zwischen Jägern oder haben symbolischen beziehungsweise ästhetischen Charakter. Etwa von 1600 bis 1848 unterschied sich der waidgerechte Jäger, in der Regel Berufsjäger an einem der zahlreichen deutschen oder österreichischen -Fürstenhöfe, vom Nichteingeweihten dadurch, dass er die Bruchzeichen richtig anwenden konnte. Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben diese stark an Bedeutung verloren. Der Fortschritt der Technik sowie der Niedergang des Berufsjägertums ließen sie vielfach außer Anwendung kommen.

So werden Haupt-, Folge-, Anschuss- und Wartebruch von Fachleuten nur noch recht selten zur stummen Verständigung benutzt. Dagegen finden Inbesitznahmebruch, Letzter Bissen und Schützenbruch in jagdlicher Praxis noch häufig Verwendung.

Inbesitznahmebruch: Dieser Bruch ist ungefähr spann- bis unterarmlang, bei Frischling und Kitz zirka 15, bei Hirsch und Keiler etwa 25 Zentimeter. Er wird gestrecktem Schalenwild auf das linke Blatt gelegt. Bei weiblichen Stücken zeigt die gewachsene Spitze zum Haupt, bei männlichen das abgebrochene Ende. Dieser Bruch wird auch als Wild- oder Streckenbruch bezeichnet. Er wird heute überwiegend beim Streckelegen verwendet. Aber auch beim ersten Stück Schalenwild oder aber beim „dicken Ia-Hirsch“ ist er üblich. Der Revierleiter, der Kitz und Ricke als Nummer 207 und 208 seines Lebens schießt, wird darauf verzichten.

Letzter Bissen: Der Letzte Bissen wird erlegtem männlichen Schalenwild, in Bayern und Österreich auch Auer-, Birk-, Haselhahn sowie Murmeltier in den Äser, das Gebrech oder den Schnabel gesteckt. Heute wird der Letzte Bissen meist nicht auf männliches Wild beschränkt bleiben. Andernfalls müssten Jäger zwischen männlichen und weiblichen Kälbern, Kitzen und Frischlingen trennen, was in der Praxis jedoch nicht geschieht.

Schützenbruch: Diesen Bruch wird demjenigen Jäger überreicht, der Schalenwild gestreckt hat. Dies geschieht örtlich auch bei Fuchs, Murmeltier, Auer-, Birk- oder Haselwild. Bei Gesellschaftsjagden macht dies entweder der Jagdherr oder der Jagdleiter beim Verblasen der Strecke. Den Schützenbruch benetzt der Jagdherr oder Jagdleiter mit dem Schweiß des erlegten Stückes. Danach überreicht er ihn mit Waidmannsheil dem Schützen zumeist auf dem abgenommenen Hut, selten auf dem Waidblatt oder Nicker. Der Erleger nimmt den Bruch, steckt ihn üblicherweise rechts – auf seinen Jagdhut. Er dankt mit Waidmannsdank und Händedruck. Nach einer erfolgreichen Nachsuche übergibt der Hundeführer – nicht der eventuell anwesende Jagdherr – dem Schützen einen mit Schweiß benetzten Schützenbruch. Der Erleger bricht einen Zweig von diesem Bruch ab, um ihn mit Waidmannsdank an den Hundeführer zu reichen.
Der steckt diesen Zweig seinem Hund an die Halsung. Dies ist auch eine bei Hundeprüfungen übliche Auszeichnung des Hundes, wenn er eine Fährte erfolgreich gearbeitet hat. Beim Schützenbruch gilt – frei nach Walter Bachmann – „Nacht bricht Bruch“: Schütze und Hund tragen mit anderen Worten den Erlegerbruch am nächsten Tag nicht mehr. Wenn der Jäger mag, wird er diesen Bruch so lange hinter das Gehörn stopfen, bis er vertrocknet ist. Hauptbruch: Ein Hauptbruch ist ein armlanger, mit dem Jagdmesser beidseitig befegter, also blank gemachter Zweig. Weil die Mittelrinde entfernt ist, „leuchtet sein Holz“. Deshalb ist er auf den Boden gesteckt oder aber aufgehängt schon von weitem sichtbar. Und so soll es ja auch sein. Wir verwenden ihn, den auffälligen Bruch, häufig in Verbindung mit anderen  Brüchen, damit ein Warte- oder ein Folgebruch nicht übersehen wird. Ein Hauptbruch bedeutet für uns immer: „Achtung! Hier ist was los“.

Folge- oder Leitbruch: Dieser Bruch sagt uns: „Folge bitte der gewachsenen Spitze!“ Er ist halbarmlang und möglichst ebenfalls beidseitig befegt, um ihn von Zweigen zu unterscheiden, welche abgebrochen sind und zufällig auf dem Waldboden liegen. Folgebrüche werden so ausgelegt, dass der Jäger, der ihnen nachgeht, dabei keine Probleme bekommt. Also ist der Abstand zwischen ihnen auf Wegen weit, im Gelände dagegen recht eng.

Anschussbruch: Unerlässlich ist es, den Anschuss beschossenen Wildes zu kennzeichnen. Das geschieht mit Hilfe des Anschussbruches. Senkrecht in die Erde gesteckt, kennzeichnet er die Stelle des Anschusses. Das genügt bei Hase, Fuchs oder Fasanenhahn, die an dieser Stelle vielleicht Wolle oder Federchen gelassen haben. Hier wird der Hund geschnallt, sobald das zeitlich möglich ist. Beim Schalenwild wird der Anschussbruch durch den Fährtenbruch ergänzt. Er ist spannlang, als einziger Bruch mit dem Nicker angespitzt und ebenfalls unbefegt. Er liegt in der Richtung aus, in welche das beschossene Stück floh. Bei einem weiblichen Stück wird das gewachsene Ende in die Fluchtrichtung gelegt, bei einem männlichen Stück das angespitzte. Damit wir das unterscheiden können, wird der Fährtenbruch geäftert, das heißt hinter ihm befindet sich ein kleiner Querbruch. Ist die Fluchtrichtung unbekannt, wird der Fährtenbruch doppelt geäftert. In der Regel sind Brüche auf dem Waldboden nur schlecht auszumachen. Deshalb hat es sich insbesondere auf Drück- oder Ansitzdrückjagden eingebürgert, dass der Anschuss mittels gelber oder rot-weißer Signalbänder markiert wird. Der eine empfindet dies als grausam stillos, ein anderer hält es für praktisch. In unübersichtlichem Gelände sind sie jedoch sicher zulässig und zweckmäßig.
Während der Nachsuchenführer früher einen Packen Brüche dabei hatte, um den Fährten –
verlauf zu kennzeichnen, nutzen erfahrene Schweißhundführer heute immer öfter Watteflocken oder farblich auffallendes Papier. Auf diese Weise wird sichtbar markiert. Aber es bleibt beispielsweise offen, wohin die Richtung beim Überschneiden, also beim Kreuzen der eigenen Fährte, geht.

Wartebruch: Nach der Frühpirsch zum Beispiel bildet der Wartebruch eine prima Information an den zweiten Jäger. Er besteht aus zwei gekreuzt übereinander gelegten, armlangen Brüchen und fordert zum Warten auf. Hat der zweite Jäger das Warten nach einiger Zeit aufgegeben, entfernt er die unteren Zweige bis zu zwei Drittel. Die gewachsene Spitze lässt er eng zusammengelegt in die Abmarschrichtung zeigen. Drei nebeneinander liegende Wartebrüche bezeichnen einen Sammelplatz. Dieser Sammelplatzbruch ist etwa zwischen zwei Treiben sinnvoll, damit sich hier alle Jägersleut’ zusammenfinden.

Bruchzeichen Übersicht
J. Bindseil
Brüche dienen der stummen Verständigung zwischen Jägern. Manche sind derzeit “aus der Mode gekommen”. Warum eigentlich? Sonst handeln wir doch auch möglichst naturnah.
Standplatzbruch und Warnbruch sind im jagdlichen Alltag bedeutungslos geworden. Sie werden deshalb hier nicht berücksichtigt.

Schmuckbrüche: Bei den Schmuckbrüchen handelt es sich um Eichen-, Fichten- oder Tannengrün, welches wir zum Schüsseltreiben oder anderen geselligen Anlässen benutzen,
um etwas zu dekorieren. Auch das zur Strecke gelegte Wild liegt auf Schmuckbrüchen oder ist von solchen umrahmt.

verbrochener Bock mit Dackel
Werner Nagel
Ein guter Bock. Mit Letztem Bissen und Inbesitznahmebruch ist er gerecht gestreckt. Unter
kräftigem Lautgeben bewacht der Teckel „seinen Bock“ vor Fremden: „Zutritt erlaubt,
anfassen verboten!“
Streckelegen
Ist eine Jagd beendet, wird das erlegte Wild gerecht gestreckt, wir legen Strecke. Ein einzelnes Stück Schalenwild, etwa ein Bock, der während der Blattzeit erlegt wurde, wird auf die rechte Seite – Herzseite nach oben –gebettet. Bei männlichem Schalenwild stellt mancher Jäger das Haupt mit Hilfe eines Astes aufrecht, damit die Trophäe besser sichtbar ist.

Das Stück erhält zudem den Letzten Bissen. Der Inbesitznahmebruch wird bei auf der Einzeljagd erlegtem Schalenwild heute nur noch selten benutzt. Gelegentlich wird er noch verwendet, wenn das Stück abholbereit im Wald oder aber auf dem Hof beziehungsweise
Rasen liegt, wenn es noch einmal zum „Begucken“ gestreckt ist. In der Jagdpraxis verbrechen oder verblasen nur sehr wenige Waidmänner weibliches Schalenwild, wenn es etwa nach einer Pirsch oder vom Hochstand aus erlegt wurde.
Ein auf der Einzeljagd erlegtes Stück wird erst verblasen und dann aufgebrochen – frei nach dem Motto: „Ich hab’s und freue mich darüber, und nun an die Arbeit“. So ist es Brauch. Immer aber bleibt dabei zu beachten: Die fleischhygienerechtlichen Bestimmungen verlangen beim Aufbrechen ein „So-schnell-wie-möglich“! Nach Gesellschaftsjagden wird das gestreckte Wild in Reihen auf Schmuckbrüchen oder „Tannengrün“ ausgelegt. Bevor wir Strecke legen, ist jedes Stück Wild natürlich fachgerecht versorgt worden: Schalenwild ist einwandfrei aufgebrochen.

Aus wildbrethygienischen Gründen wird der Platz, auf dem Strecke gelegt wird, trocken
und sauber sein.

Strecken Grafik
J. Bindseil
So werden Hochwild und Niederwild brauchtumsgerecht zur Strecke gelegt.

jagdliches Brauchtum

Das Wild liegt einheitlich, auf der rechten Seite sowie mit dem Haupt beziehungsweise Kopf
in Richtung des Jagdherrn. Jedes zehnte Stück Wild ist eine halbe Wildlänge vorgezogen.
Schalenwildstrecke: Bei einer Schalenwildstrecke mit Füchsen gehen wir wie folgt vor: Zunächst verbrechen wir nur das Schalenwild traditionell gerecht, mit Inbesitznahmebruch und Letztem Bissen. Dann werden –wenn erlegt – Rot-, Dam-, Muffel-, schließlich Schwarz- und Rehwild aufgereiht. Den Abschluss beziehungsweise den rechten Flügel bilden Füchse. Beim Schalenwild liegt das stärkste Stück als erstes Stück am rechten Flügel, männliche vor weiblichen. Wegen ihrer Stärke sind Alttiere, Schafe, Geißen oder Ricken vor Kälbern, Lämmern oder Kitzen platziert. Falls eine Strecke nicht sehr hoch ausgefallen ist, wird die Trennung nach Geschlechtern und/oder Alter unterbleiben.
Bei Hasen gilt: Der erste Hase „hat den Rücken frei“. Schon der zweite Mümmelmann
auf der Strecke liegt mit seinem Rücken innerhalb der Läufe des ersten Hasen (siehe Zeichnung rechts).

Niederwildstrecke: Hier liegen Füchse – wenn kein Rehwild gestreckt wurde – mit hochgebogener Lunte zuvorderst. Es folgen Hasen, Kaninchen, Fasanen und übriges Flugwild – soweit möglich der Größe nach geordnet. Um das Bild bunter zu machen, können wir zum
Beispiel Erpel und Enten einander abwechselnd in eine Reihe legen. Raubwild liegt in der Reihe der Füchse. Bei großen Strecken werden wir nicht mehr als einhundert Stück Wild in eine Reihe legen. Eine dünne Schnur kann helfen, um derart gewaltige Strecken ganz exakt auszurichten.

Bild der Strecke
Eberhard Einsenbarth
Die ganze Strecke ist auf Fichten gebetet. Ein würdiger Rahmen zum Abschluss der Drückjagd.
Gemischte Strecken: Hier liegt Hochwild stets vor Niederwild und Haarwild vor Federwild. Sind von einer Wildart nur wenige Stücke erlegt worden, so können wir auch verschiedene Wildarten in einer Reihe zusammenfassen. Denn es gilt der Grundsatz: Jede Strecke sollte nicht tiefer als breit sein, also möglichst ein Rechteck bilden. Nur Füchse und anderes Raubwild werden grundsätzlich in eine eigene Reihe gelegt.
Entscheidend beim Streckelegen ist, dass dies übersichtlich und ordentlich geschieht. Die
Achtung vor dem erlegten Wild muss erkennbar sein. Wenn ein Jagdherr die „Ecken“ der
Strecke durch Zweige mit roten Beeren dekoriert, ist das nicht üblich, gleichwohl in Ordnung.

Aufstellung: Jagdherr und Schützen stehen traditionell vor der Strecke, die Jagdhornbläser
hinter der Strecke. Hinter den Bläsern befinden sich die Treiber.

Hundeführer mit Hunden stehen brauchtumsgerecht am linken Flügel hinter der Strecke, sofern sie keine Schützen sind. Heute zählen die Hundeführer allerdings durchweg zu den Jägern. Zudem lassen viele von ihnen ihre Hunde nach harter Arbeit bei Nässe und Kälte gerne schon im warmen sowie trockenen Auto und ersparen ihnen die Zeremonie. Erfolgt das Streckelegen bei einsetzender Dämmerung erhöhen brennende Fackeln oder Kienfeuer den Reiz dieses Brauches. Es verstößt gegen alten Brauch, über zur Strecke gelegtes Wild zu steigen oder zu springen. Beim Verblasen der Strecke finden sich die Schützen in voller Ausrüstung ein, also mit entladener, gebrochener Waffe.

Streckenmeldung: Haben alle Jagdteilnehmer ihre Plätze eingenommen, gibt der Jagdherr das Gesamtergebnis der Strecke bekannt. War der Jagdherr nicht selber Jagdleiter, kann der Jagdleiter ihm die Strecke auch melden. Das Strecke melden mutet heute allerdings etwas altertümlich an. Viel passender sind Worte wie: „Wir haben erlegt: …“ Verblasen und Bruchübergabe: Nachdem die Strecke verkündet worden ist, wird sie in der Reihenfolge verblasen, in der die Wildarten zur Strecke gelegt worden sind, also erstes Signal gleich erste Reihe. Zunächst ertönt das erste Totsignal. Ist Schalenwild gefallen, überreicht der Jagdleiter zum Beispiel die Brüche für das Rotwild. Dann lässt er das Schwarzwild verblasen und überreicht wieder die entsprechenden Brüche. Beim Überreichen von Schützenbrüchen gilt folgende Regel: Selbst wenn ein Jäger mehrere Stücke Schalenwild geschossen hat, erhält er nur einen Bruch. Ein „Wald“ am Jägerhut ist unschön. Er wirkt protzig. Nach sämtlichen Totsignalen bedankt sich der Jagdherr bei Schützen, Hundeführern, Bläsern sowie Treibern. Schließlich lässt der Jagdherr „Jagd vorbei“ und „Halali“ blasen. Dann wird die Strecke hygienegerecht versorgt. Das Motto lautet jetzt: Schnell und luftig in die Wildkammer.

Strecke Verblasen
Eberhard Einsenbarth
So stattlich ist die Zahl der Bläser nicht oft. Brauchtumsgerecht verblasen Sie die Strecke.

Weitere Bräuche nach dem Schuss – jagdliches Brauchtum

Nach dem Schuss beziehungsweise abseits des eigentlichen Jagdgeschehens sind neben einzelnen Bruchzeichen und dem Streckelegen sind weitere Bräuche unter Jägern üblich. Dazu zählen Jägerrecht und Jagdkönig, Jagdgericht, Jägerschlag, Totenwacht und Hubertusgottesdienste. Das Aufbrechen und Zerwirken, das Aufsetzen von Rehkrone oder Gamskrucke rechnet man traditionell ebenfalls zum jagdlichen Brauchtum. Dies wird in einem eigenen Kapitel behandelt.

 

Jägerrecht

Das Große Jägerrecht war einst die an den Jägerhöfen übliche Naturalentlohnung der Berufsjäger. Heute kennen wir im jagdlichen Alltag nur noch das Kleine Jägerrecht (siehe Kasten). Das Kleine Jägerrecht steht grundsätzlich dem Erleger zu. Bricht er allerdings das Stück nicht selber auf, fallen Pansen, Geräusch und der mit den Fingern abpflückbare Feist dem Aufbrechenden zu. Muss aus hygienerechtlichen Gründen eine Fleischbeschau erfolgen, verbleiben alle Innereien jedoch beim Stück. Wer aber gilt als Erleger und wem steht damit das Kleine Jägerrecht zu, wenn zwei Kugeln ein Rotkalb oder einen Überläufer zur Strecke brachten? Fielen die Schüsse à tempo, also gleichzeitig, gilt der Jäger als Erleger, dessen Kugel besser sitzt. Maßstab hierbei ist die Zehn auf der jeweiligen DJV-Scheibe, die wir vom Schießstand her kennen. Sonst gehört das Kleine Jägerrecht demjenigen, der die erste Kugel erfolgreich platzierte. Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass der Überläufer oder das Rotkalb unter den zeitlich-örtlichen Gegebenheiten erfahrungsgemäß zur Strecke gekommen wäre. Rouliert ein Kanin nach zwei zeitgleichen Schrotschüssen, werden sich die Schützen untereinander einigen. Das verlangt jagdlichen Anstand. Schussneid spielt dabei hoffentlich keine Rolle. Der Gentleman gönnt dem Jagdfreund das Kanin. Im Übrigen gilt bei Niederwildjagden: Schrotschuss gleich Totschuss. Also wird der Jäger zum Erleger, dessen Schuss das Stück Wild verenden lässt. Nur wenn der heranhoppelnde, schwerkranke Hase lediglich einen erlösenden, raschen Fangschuss benötigt, werden wir diesen Hasen nicht für uns verbuchen.

Das kleine Jägerrecht

Das Geräusch
> Herz
> Lunge
> Leber
> Milz
> Nieren
Sonstiges
> Feist (soweit mit den Fingern ablösbar)
> Trophäe
> Lecker
> Hirn (nach Abschlagen der Trophäe
freigelegt)
> Pansen (Hundefutter)

Aufbrechen
Eberhard Einsenbarth
Das Kleine Jägerrecht steht grundsätzlich dem Erleger zu. Bricht jemand anderes auf, gehören Pansen, Geräusch und das abpflückbare Weiße dem Aufbrechenden.

Wer ist Erleger

Einige Jagdleiter vertreten im Falle des Kugelschusses eine andere Auffassung als die herkömmliche und sprechen wie beim Schrotschuss auch demjenigen Jäger ein Stück Wild zu, der das Stück wirklich tödlich traf. Erhält also ein Stück Schalenwild von Schütze A einen Waidwund- oder Keulendurchschuss – mit dem es vor einem erfahrenen Schweißhund aller Wahrscheinlichkeit nach zur Strecke gekommen wäre – und wird es dann von Schütze B mit einem Blattschuss zur Strecke gebracht, bekommt Letzterer den Bruch. Eine durchaus vertretbare Einzelregelung:Hat doch Schütze B dem Wild länger anhaltende Schmerzen erspart und eine kräftezehrende Nachsuche überflüssig gemacht.

Karl-Heinz Volkmar
Mancher Jäger lässt sich am gestreckten Stück in aller Stille gern noch einmal das Erlebte durch den Kopf gehen – er hält Totenwacht. Aber bitte erst nach dem Aufbrechen!

Jagdkönig, Jagdgericht und Totenwacht – jagdliches Brauchtum

Mancherorts wird nach einer Gesellschaftsjagd derjenige Jäger zum Jagdkönig ernannt, der die zahlen- oder wertmäßig höchste Strecke erzielt hat. Guter Stil will es, dass ein Jäger keinesfalls Jagdkönig werden kann, wenn er ein nicht freigegebenes Stück geschossen hat. Je nach Schwere der Missachtung führt das bei manchen Jagdleitern sogar dazu, dass er diesem Schützen bei Versendung der Einladungen im nächsten Jahr eine Denkpause verordnet … Dem Jagdkönig obliegt es, beim Schüsseltreiben auf die Rede des Jagdleiters oder Revierinhabers zu antworten. Er dankt im Namen aller Gäste für den Jagdtag, würdigt ihn nochmals aus seiner Sicht und spendiert für sämtliche Jagdteilnehmer die eine oder andere „lüttje Lage“. Ist kein Jagdkönig ernannt, übernimmt ein redegewandter, älterer Jäger diese Aufgabe. Jagdgerichte sind selten geworden. Hier werden von einem Laien-„Gericht“ beim Schüsseltreiben Verstöße gegen Jagdregeln oder Brauchtum humorvoll geahndet. Als „Strafen“ folgen beispielsweise das Spendieren von Getränken oder kleine Geldbußen für die Revierkasse.

Aber Achtung: Wirklich schwerwiegendes Fehlverhalten– etwa das Durchziehen durch die Schützenreihe mit geladener Waffe – erfordert ein ernstes Gespräch zwischen dem Jagdleiter und dem Missetäter. Notfalls wird der Jagdleiter Konsequenzen ziehen, die bei frischer, schwerwiegender Tat bis zum Ausschluss von der Jagd führen können.
Hat ein Jäger während der Einzeljagd besonderes Waidmannsheil gehabt, etwa einen uralten Achter gestreckt oder sein erstes Stück Schalenwild erlegt, dann wird er das Bedürfnis haben, in einer besinnlichen Stunde – alleine oder in Gesellschaft – alles nachzuerleben. Dazu gehört natürlich ein guter Tropfen. Dem verdankt das „Tottrinken“ seinen Namen.
Mancher Jäger verharrt gerne noch eine Weile allein am gestreckten Stück, nachdem er es aufgebrochen hat. Seine Gedanken werden dem jagdlichen Erleben um dieses Stück nachhängen, vielleicht aber auch andere, eigene Wege gehen. Diese „Totenwacht“ unterliegt also der freien Entscheidung jedes Einzelnen.

Jägerschlag

In den vergangenen Jahrhunderten sind Berufsjäger nach Abschluss ihrer dreijährigen Lehre von ihrem Lehrprinzen zum Jäger geschlagen worden. Nach einer feierlichen Ansprache ohrfeigte der Lehrprinz den jungen Berufsjäger ein letztes Mal. Damals durfte man das noch. Anschließend überreichte er ihm feierlich den Hirschfänger. Nur der fertig ausgebildete Jäger war berechtigt, ihn zu tragen. Heute wird ein Jungjäger sinnvollerweise per Handschlag und mit einigen feierlichen Worten stilvoll in den Kreis der Jäger aufgenommen.

Hubertusmessen

Ein letztes Wort zum Brauchtum: Am 3. November jeden Jahres ist das Fest des Heiligen Hubertus. Er gilt in Deutschland als Schutzpatron der Jäger und soll sie – der Legende nach – vor ungezügeltem, zu wildem Jagen bewahren. An diesem Tage werden vielerorts Gesellschaftsjagden, die sogenannten Hubertusjagden, ab -gehalten. Sie führen häufig viele örtliche Jäger zusammen.
Regional sind zudem Hubertusgottesdienste üblich. Sie wurden ursprünglich vor größeren Jagden abgehalten. Heute werden sie vielfach von Bläsergruppen mit eigens komponierten Jagdmessen oder melodischen Jagdsignalen begleitet. Diese Musik beeindruckt nicht nur Jäger.

Schüsseltreiben Jagdgericht
Werner Nagel
Mit Hubertusmessen danken Jäger dem Schöpfer. Der melodische Klang von Jagdhörnern bildet den Rahmen.

Pfunde-geben muss nicht sein!

Im vorigen Jahrhundert entstand der Brauch, die jungen Jäger nach bestandener Prüfung zum Jäger zu schlagen. Dabei ist unsinnigerweise die veraltete Sitte des Pfunde-Gebens eingeflossen. Das Pfunde-Geben – mehr oder minder kräftige Schläge auf den Allerwertesten – war einst eine Strafe für jagdliches Fehlverhalten. Üblich war dies vor allem bei den großen höfischen Jagden. Das heutige „Pfunde-Geben“ ist Firlefanz!

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