Klettern bei Kombinierten

Treffer, krank, vorbei …

Der jagdliche Einsatz von Langwaffen mit fest verlรถteten Lรคufen ist problematisch. Das Abfeuern mehrerer Schรผsse kann fatale Folgen haben. Warum das so ist, hat ein Versuch der Deutschen Versuchs- und Prรผfanstalt fรผr Jagd- und Sportwaffen (DEVA) gezeigt.

Klettern bei Kombinierten

Helmut Kinsky

Mit einer Bockbรผchsflinte, Baujahr 1964, sitzt Hans Weber Anfang September im Mecklenburgischen Damwildkerngebiet an. Es dauert nicht lang, da lรคsst sich ein Alttier blicken, dicht gefolgt vom Kalb. Einige Meter dahinter ein Hirsch vom 1. Kopf. Unter Lau- scher hohe SpieรŸe. Der passt! Wenig spรคter liegt er mit gutem Blattschuss im hohen Gras. Schnell schiebt Arthur eine neue Patrone ins Lager des Kugellaufs. Alttier und Kalb verhoffen nach kurzer Flucht und sichern. Das Kalb steht breit. Der zweite Schuss bricht. Auch dieser trifft. Doch ist er nicht sofort tรถdlich. Das Kalb schlegelt mit den Lรคufen, kommt wieder hoch. Die dritte Kugel schallt durch den Wald. Das Kalb reagiert nicht. Keine zwei Minuten sind seit dem ersten Schuss vergangen, als Projektil Nummer vier durch den Lauf gefeuert wird. Wieder keine Reaktion. Wenig spรคter liegt das Stรผck aber auf der Seite und regt sich nicht mehr. Der Todeskampf ist beendet.

Was war passiert? Weit grรถรŸer als das Erlegerglรผck war im Anschluss die Unsicherheit des Jรคgers. Die vermeintlich schlechten Schรผsse zwingen ihn am nรคchsten Tag zum Besuch des SchieรŸstandes. Dort erklรคrt sich das Erlebnis vom Vortag: Im Abstand von jeweils einer Minute feuert er drei Schรผsse ab. Der erste sitzt in der 10, der zweite ungefรคhr acht Zentimeter darรผber, der dritte war gerade noch auf der Scheibe, satte 38 Zentimeter รผber dem ersten Schuss. Die SchieรŸstandaufsicht rรคt ihm, die Waffe abkรผhlen zu lassen. Zehn Minuten spรคter legt er erneut an und trifft. In die Zehn!

Zur Erklรคrung: Mehrlรคufige Kipplaufwaffen รคlteren Baujahrs haben oft fest miteinander verlรถtete Lรคufe. Bei hoher Wรคrmeeinwirkung hat das Material die Eigenschaft, sich auszudehnen. Der beschossene Kugellauf erwรคrmt sich also, in der Folge dehnt er sich aus. Mit dem anderen, kalt gebliebenen Lauf ist er in Lรคngsrichtung fest verbunden. Bei angenommener Lauflรคnge von 600 Millimetern und einer Erwรคrmung des Laufs von 15 auf 45 Grad Celsius dehnt er sich bei Schussabgabe in der Lรคnge um rund 0,3 Millimeter aus. Da der Lauf aber bei den beschriebenen Waffen fest mit dem anderen verbunden ist, zeigt sich die Lรคngenรคnderung in einer Biegung des Laufbรผndels zur nicht erwรคrmten Seite hin.

Sofern der Bรผchsenlauf unten angeordnet ist, wird sich die Laufmรผndung nach oben bewegen. Ein Hochschuss ist die Folge. Je kรผrzer die Abstรคnde und hรถher die Anzahl der Schรผsse sind, desto wรคrmer wird der Lauf und desto gravierender die Treffpunktverlagerung.

Nach dem gleichen Prinzip รคndert sich auch die Treffpunktlage bei oben oder seitlich liegenden Bรผchsenlรคufen nach unten oder zur Seite hin. Ein einfacher Versuch hat gezeigt, wie gravierend die Ausdehnung sein kann. Dazu haben wir das Laufbรผndel an den Laufhaken in einen Schraubstock gespannt. AnschlieรŸend wurde heiรŸe Luft durch den Lauf getrieben. Mit einer Messuhr im Bereich der Mรผndung wurde die Verรคnderung gemessen. Das Ergebnis: Bei einer Einblasdauer von fรผnf Sekunden hat sich das Laufbรผndel um 0,4 Millimeter, bei acht Sekunden um 0,58 Millimeter nach oben gebogen. Umgerechnet bedeutet das fรผr die Treffpunktlage auf 100 Meter: Satte 100 und 140 Millimeter.

Um gesicherte Aussagen machen zu kรถnnen, wurden bei uns 168 Drillinge und Bock- bรผchsflinten unterschiedlicher Kaliber und Hersteller untersucht. Es wurden einheitlich drei Schรผsse abgegeben. Die Pause zwischen ihnen betrug etwa 15 Sekunden. Die geringste Abweichung zwischen dem ersten und zweiten Schuss betrug sieben, die grรถรŸte 29 Zentimeter. Zwischen dem ersten und dem dritten Schuss waren zehn die geringste und 51 (!) Zentimeter die grรถรŸte Abweichung.

Tipp: Grundsรคtzlich sollte beim Ein- und KontrollschieรŸen kombinierter Waffen eine Pause von zehn Minuten zwischen den Schรผssen eingehalten werden. Damit ist der Schรผtze ga- rantiert auf der sicheren Seite.

Wie verhรคlt sich nun der Bรผchsenlauf eines Drillings, wenn zuerst aus dem Schrot- und danach aus dem Kugellauf geschossen wird? Reineke wird mit Schrot krank geschossen. Auf hundert Meter bietet sich dann die Gelegenheit, mit der Kugel zu schieรŸen. Eine realistische Situation. Wie bei diesen Bedingungen wurde eine Pause zwischen den Schรผssen von etwa 15 Sekunden gewรคhlt. Die Schussentfernung: 100 Meter. Das Ergebnis war eindeutig. Auch hier verรคndert sich die Treffpunktlage. Etwa elf Zentimeter zur Seite und 3,5 Zentimeter nach unten. Zur Vervollstรคndigung der Versuche wurde ein 40 Zentimeter langer Einstecklauf, Kaliber .22 Magnum, montiert. Die zeitliche Schussfolge war dieselbe. Auch hier ein eindeutiges Ergebnis: Es genรผgt bereits die geringe Wรคrmeabgabe der kleinen Kugel, um die Treffpunktlage des Bรผchsenlaufs geringfรผgig zu verรคndern.

Fazit: Waffen mit fest verlรถteten Lรคufen sind keine gute Lรถsung fรผr Drรผckjagden. Auch beim Ansitz sollte ab dem zweiten Schuss mit Bedacht geschossen werden, wenn die Kugel unmittelbar nach der ersten den Lauf verlรคsst.

Die Messuhr beweist es: Bei starker Erwรคrmung dehnt sich das Material des Laufbรผndels aus. Fรผr fest verlรถtete Lรคufe bedeutet das: ร„nderung der Treffpunktlage.
Foto: Helmut Kinsky

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