Um Retriever „Bella“ und Drahthaar „Grimm“ auf die künstliche Schweißfährte vorzubereiten, werden sie auf der Schleppe eingearbeitet. Revierjagdmeister Sascha Schmitt erklärt, wie er dabei vorgeht.
Bereits als Junghunde durften Hündin „Bella“ und Rüde „Grimm“ erste Futterschleppen arbeiten. Ihr Interesse, mit tiefer Nase zu arbeiten, sollte damit geweckt werden.
Dazu wurde einfach ein waschlappengroßes Stück grüner Pansen an einer Schnur befestigt und damit eine Schleppspur gelegt. Natürlich waren diese ersten Arbeiten bewusst einfach strukturiert. Die jungen Hunde sollten weder mental noch körperlich überfordert werden. Vielmehr wollte ich, dass sie jetzt durch den Einsatz der tiefen Nase schnell und sicher zum Erfolg kommen. Deshalb durften die kleinen Racker der Schleppe schon nach zehn Minuten Stehzeit folgen. Auf Halsung und Riemen verzichte ich in dieser Phase bewusst. Wenn die Hunde die Lust verlieren oder abgelenkt werden, erfolgt auch kein Kommando zur Korrektur. Der Abrichter fungiert bei diesen Schritten nur als Beobachter. Jetzt zeigt sich nämlich noch die unverfälschte Anlage zur konzentrierten Nasenarbeit – und diese soll lediglich gefördert werden.
Die Frühsterziehung bei Jagdhunden lehne ich entschieden ab. Sie nimmt dem Vierläufer die Chance, seine Persönlichkeit und seinen Willen zu entfalten. Frühsterziehung presst den Hund oftmals in Nischen, in die sein Wesen überhaupt nicht hineinpasst. Gerade spätreife oder unsichere Vierläufer werden dadurch in der Entwicklung ihrer Passion stark gehemmt. Immer wieder konnte ich bei derartig „geförderten“ Jagdhunden beobachten, dass sie in den einstudierten Verhaltensmustern zweifelsohne fehlerfrei funktionierten. Kam es aber im praktischen Jagdbetrieb zu Situationen, bei denen sie eigenständig entscheiden mussten, etwa beim Verlorenbringen oder bei der Baujagd, versagten sie regelmäßig. Zwang oder übermäßige Gehorsamsausbildung hat in der Anlagenförderung im Welpen- und Junghundalter nichts zu suchen.
„Bella“ und „Grimm“ mussten lediglich am Ende der Spur eines beachten: Erst auf Anweisung durfte der Belohnungsbrocken gefressen werden. Keinesfalls sollte es für die beiden selbstverständlich werden, den am Ende der Schleppe ausgelegten Belohnungshappen sofort zu verschlingen. Eine derartige Selbstbelohnung kann nämlich im weiteren Ausbildungsverlauf sehr schnell zum Anschneiden führen. Besonders die ständig hungrige „Bella“ hatte zunächst Probleme damit. Gleichzeitig liegt aber in dieser „Verfressenheit“ ein unschätzbarer Vorteil für die Schweißarbeit. Nachdem die Retriever-Hündin erkannt hatte, dass am Ende der Fährte eine Belohnung wartet, war ihre Motivation für diese Arbeit erstaunlich. Inzwischen ist die Verknüpfung „Fährte = Futter“ für die Chessie-Dame Anreiz genug, sich über längere Zeit auf die Nasenarbeit zu konzentrieren. Das Genossen machen am Ende der Fährte ist für mich und meine Hunde fester Bestandteil bei der Arbeit.
Drahthaar „Grimm“ zeigte bereits als Welpe eine ausgeprägte Veranlagung für die Fährten- beziehungsweise Spurarbeit, die sich im Laufe der Zeit zusehends festigte. Mit Sicherheit ist aber für ihn der Belohnungsbrocken nicht der Hauptantrieb für sein Tun. Es scheint oft, dass er seine persönliche Belohnung aus der Zusammenarbeit mit seinem Hundeführer zieht. Der leckere Happen interessiert ihn meistens überhaupt nicht. Es sei denn, wenn es wirklich etwas ganz besonderes ist, wie grüner Pansen oder frische Hühnerhälse.
Bereits kurz nach der Verbandsjugendprüfung (VJP) haben wir mit der gezielten Fährtenarbeit begonnen. Für „Grimm“ ist die Verbandsgebrauchsprüfung (VGP) und für „Bella“ die Prüfung nach dem Schuss (VPS) das Fernziel. Schritt für Schritt sollen sie nun darauf vorbereitet werden. Im Gegensatz zum spielerischen Fördern geht es jetzt um systematisches Ausbilden. Bevor die Vierläufer auf der gespritzten oder getupften Schweißfährte arbeiten, bekommen sie wieder einige Schleppen gelegt. Die Stehzeit wird stetig verlängert. Als Schleppgut dienen frische Lunge, Pansen, ein Schalenwildlauf oder auch Gescheide, das in einem ausgedienten Zwiebelnetz mit Schnur geschleppt wird.
Im Vergleich zur künstlichen Schweißfährte lässt sich eine Schleppe verhältnismäßig schnell und ohne große Vorbereitung anlegen – ein großer Vorteil für den Abrichter. Aber auch für den Hund: Eventuelle Fehlverknüpfungen beim Korrigieren des Vierläufers wirken sich nämlich nicht negativ auf die Schweißarbeit aus. Nur die wenigsten Hunde lassen sich durch rein positive Verstärkung zu riemenfestem und fährtentreuem Arbeiten erziehen. Vor allem für Hunde mit Jagderfahrung ist die frische Verleitung viel zu interessant.
Für die Hundenase selbst ist es allerdings keine große Herausforderung, eine Schleppe oder Fährte auch nach 24 Stunden Stehzeit zu arbeiten. Vielmehr besteht die Kunst darin, dem Hund beizubringen, dass er die ihm zugewiesene Duftspur bis zum Ziel hält. Keine Verleitung darf ihn davon abbringen. Um „Bella“ und „Grimm“ bei der Arbeit korrigieren zu können, wird der Schleppenverlauf peinlich genau mit Markierband ausgezeichnet. Damit die Vierläufer Hilfestellungen und Korrekturen umsetzen können, sind bereits die ersten Schleppen mindestens 400 Schritte lang.
Die ersten Schleppen haben eine Stehzeit von zwei Stunden. Im Laufe der Ausbildung wird diese Zeit ständig erhöht. Allerdings darf der Hund dabei nicht überfordert werden. Wichtig ist, dass sich am Ende der Fährte ein Gegenstand befindet. Der Einfachheit halber lege ich dort stets meinen Rucksack ab, unter dem die Schüssel mit der Belohnung platziert wird. Eine getrocknete Rehdecke oder Sauschwarte wird entgegen der landläufigen Meinung keinen Motivationsschub bei den Hunden auslösen. Anders verhält es sich bei einem frisch erlegten oder verunfallten Stück Schalenwild. Damit lässt sich gleichzeitig die Disziplin des Hundes am gefundenen Stück üben.
Sowohl bei „Bella“ als auch bei „Grimm“ hat es sich bewährt, unmittelbar vor der Arbeit eine gemeinsame Pause einzulegen. Hektik und Hast sind der Feind jeglicher Fährtenarbeit. Besonders beim eifrigen Drahthaar „Grimm“ war diese Pause sehr wichtig. Der Beginn der Arbeit ist in der Abrichtung immer gleich. Am Anschuss wird der Hund abgelegt, der Anschuss überprüft und der Vierläufer ruhig angesetzt. Nach ein paar Übungseinheiten zeigt ihm dieses Ritual, welche Arbeit nun folgt.
„Bella“ erstaunte mich auf ihrer ersten Schleppe sehr. Sie arbeitete ruhig und bedächtig, ohne sich um Verleitungen zu kümmern. Lediglich die Zielstrebigkeit ließ anfangs etwas zu wünschen übrig. Sicherlich ist die Arbeit mit tiefer Nase nicht ihre Erfüllung, was nun deutlich zu sehen war. Ihr Arbeitstempo änderte sich jedoch schlagartig, nachdem die stets ums leibliche Wohl besorgte Hündin verstanden hatte, dass am Ende der Schleppe etwas Fressbares auf sie wartet. Plötzlich ging es ihr gar nicht schnell genug. Kreuz und quer zerrte sie mich durch den Wald. Es kam, was kommen musste: Aus Übereifer verlor sie komplett die Verbindung zur Schleppspur. Nur durch regelmäßiges Ablegen und neues Einweisen in die Schleppe konnte „Bella“ wieder zur Weiterarbeit diszipliniert werden. Ein weiterer Schritt war, dass die Stehzeit der Fährte erhöht wurde. Nun musste sie sich konzentrieren, um ans Ende der Schleppe und damit zu den Futterbrocken zu gelangen. Um ihre Passion für die Arbeit noch etwas nach vorn zu bringen, verstecke ich „Bella“ im Verlauf der Spur einige kleine Leckerbissen. Arbeitet sie nun sauber die Duftspur mit tiefer Nase aus, stößt sie unweigerlich auf die leicht mit Laub bedeckten Belohnungsbrocken.
Auch der sonst so selbstsichere Spurarbeiter „Grimm“ brauchte richtungsweisende Korrekturen bei seinen ersten Arbeiten. Zu Beginn war der junge Drahthaar extrem anfällig für jegliche Verleitung: Jede frische Wildwittrung brachte ihn von der Arbeit ab. Er war geradezu davon besessen, der warmen Wittrung zu folgen. Also musste ich bei ihm deutlich energischer vorgehen. Sobald er die Schleppspur verließ, legte ich ihn ab und wies ihn erneut in die Schleppe ein. War der Drahthaar zu sehr in Fahrt, wurde er so lange abgelegt, bis er sich wieder sichtlich beruhigt hatte.
Die Anzahl der Schleppen und der anschließenden Schweißfährten wird sich im Verlauf der weiteren Ausbildung in erster Linie nach dem Lernverhalten der beiden Hunde richten. Besonders wichtig ist dabei, nicht zu übertreiben, sondern in kleinen Schritten vorzugehen. Ermahnungen und Korrekturen müssen in ihrer Stärke auch hier dem Wesen des Hundes angepasst sein. Nur so gewinnt der Hund das Vertrauen in seinen Führer, was auch in den nächsten Ausbildungsfächern überaus wichtig ist. Gemeinsam mit den anstehenden Apportierübungen bildet die Ausbildung auf der Haar- und Federwildschleppe eine wichtige Basis für die spätere Arbeit auf der künstlichen Wundfährte.