Ruhig Blut, Grüner!
Wider dem Mucken und Reißen
Andreas Haußer
Angstzeichen
Der Delinquent presst die Hand um den Schaft, bis die Finger blau und das Gesicht rot sind. Er zielt minutenlang, bis ihm die Augen tränen, drückt die Augen zu, zieht das Genick ein und reißt den Abzug durch. Interessant ist dabei das zeitliche Missverhältnis zwischen dem Zielvorgang und der eigentlichen Schussabgabe. Solange der Beobachter hinter dem Schützen steht, fällt manche dieser Verhaltensweisen oder besser gesagt Unarten, gar nicht weiter auf. Geht man der Sache nach und schaut dem Aspiranten im wahrsten Sinne „auf die Finger“,kann die Ursache der unregelmäßigenTreffer auf der Scheibe bald gefunden werden. Der Schütze erschrickt schon, bevor der Schuss bricht: Er muckt.
Summiert sich in der jagdlichen Praxis das Mucken als ausgeprägte Schützenstreuung mit der Waffenstreuung zur Revierstreuung sind Krank- oder Fehlschüsse die Folge. Wir sollten eine erworbene oder „angewölfte“ Schussscheue aber nicht als unabänderlich hinnehmen, sondern versuchen, dagegenanzugehen. Das geht einfach,wenn der Wille da ist und ein Fachmann hilft.
Schritt eins:
Üben mit ungeladener Waffe. Abzug langsam und kontrolliert auslösen. Ob ein Stecher- oder Flintenabzug vorhanden ist, macht keinen Unterschied. Langsames Krümmen des Fingers ist das Ziel. Dieser erste Schritt erfolgt unter Beobachtung von der Seite. Die Waffe ist nicht im Anschlag. Der Schütze lernt den Abzug kennen. Unter Umständen ist der Abzugsweg eines Stechers länger als der eines trocken stehenden Flintenabzuges. Bei diesen Übungen Pufferpatronen verwenden, um den Schlagbolzen zu schonen.
Im zweiten Schritt wird die Waffe in Anschlag genommen. Der alte 98er eignet sich hierfür ganz besonders. Das Vorschnellen des schweren Schlagbolzens ist deutlich spürbar. Wer ohne jedes Augenzwinkern das Schloss dieses Oldtimers abschlagen lässt, kann seine Angstkomplexe ablegen. Nach dieser „mentalen“ Festigung macht die Abgabe eines echten Schusses kaum noch Probleme.
Schritt drei: Da wir unsere Waffe jagdlich führen wollen, sollten auch auf dem Schießstand die Handgriffe jagdpraktisch ausgelegt sein. Die Schussabgabe muss zur routinierten Einheit werden. Einstechen und Entstechen, Sichern und Entsichern, Waffe öffnen und wieder schließen müssen blind funktionieren. Ansonsten wird manche Möglichkeiten zum Schuss ungenutzt bleiben.
Übungssache
Es ist immer noch ein weitverbreiteter Irrglaube, man müsse den eingestochenen Abzug nur schnell genug antupfen, um möglichst genau dort zu treffen, wohinman vorher minutenlang gezielt hat. Aus eigener jahrzehntelanger Beobachtung kann ich diese Annahme eindeutig widerlegen.Beim schnellen Krümmen des Schießfingers drückt der Rechtsschütze mit dem Handballen den Schaft nach links. Das Geschoss schlägt weiter rechts als erhofft auf der Scheibe ein. Bei betont langsamem Abziehen kann man die Trefferabweichung auf Waffen- und Munitionsstreuung minimieren. Der Stecher ist also nichts für Hektiker und Neurotiker, sondern nur für den absolut wesensfesten Schützen. Wen das Jagdfieber beutelt, sollte besser überhaupt nicht in den Abzug greifen. Leider trifft nicht jeder Schuss wie er soll, egal ob bei Jungjäger oder altem Hase. Viele schlechte Treffer oder Fehlschüsse haben ihre Ursache im menschlichen Versagen, weit öfter als in Jägerkreisen zugegeben wird. Mit derbestandenen Jägerprüfung allein ist es noch lange nicht getan, wenn das kleine 1 x 1 des Büchsenschießens nicht richtig sitzt. Daher üben, üben, üben …
• Jede Möglichkeit zum Üben nutzen
• In leichten Waffe keine zu starken Kaliber
• Die Anforderungen des Abzugs berücksichtigen
• Anschlag auf dem Stand trainieren
• Ausreichend Augenabstand zum Zielfernrohr
• Schaft mit geringer Senkung wählen
• Auf dem Schießstand guten Gehörschutz tragen
• Waffe korrekt aufl egen und anschlagen
• Training und Kontrolle durch erfahrene Person
• Im Sinne der Weidgerechtigkeit Schwächen abstellen