Rehbrunft und Blattzeit: Ohne Fleiß kein Preis. Die Zeit am Ende der Rehbrunft, in der die Böcke aufs Blatt springen, ist für viele Jäger der jagdliche Höhepunkt des Jahres. Die Blattjagdgeschichten und Erfahrungen aus einem Rehwildrevier in Oberschwaben machen Appetit auf mehr.
Hubert Demmel
Eine halbe Stunde ist wohl schon vergangen, seit ich mit meinem Jagdgast auf der etwas erhöht stehenden Kanzel am Waldweg sitze. Das Büchsenlicht ist etwa eine Sunde alt, und die Blattlaute haben mittlerweile eine beträchtliche Lautstärke erreicht. Vor uns über dem Weg liegt ein einigermaßen einsehbarer Jungfichtenbestand. Urplötzlich steht 40 Meter rechts, mitten auf der Waldstraße der erwartete abnorme Bock und sichert zu uns herüber. „Schießen! Der Wind“, flüstere ich. Mein Begleiter jedoch hebt sein Glas, um sich diesen Abnormen genauer anzusehen. Als er die Optik wieder senkt, tritt der Bock unsicher einen Schritt zur Seite, dabei wird sein ohnehin schon gestreckter Träger noch länger. Das Anschlagen der Waffe hält er nicht mehr aus: Er springt ab und verkündet dem ganzen Wald unsere Anwesenheit. „Was hat er denn“, mit dieser Frage bringt mein Nebenmann das Fass meines innerlichen Grolls beinahe zum überlaufen. Doch schon Stunden später ist aller Ärger verflogen, als wir glücklich vor einem gerade erlegten alten Kämpen stehen. Auf der Heimfahrt, die Sonne hatte an diesem zweiten Augusttag um halb zehn schon ganz beträchtlich eingeheizt, kamen wir am Einstand eines mir bekannten alten Bockes vorbei. Der Reiz, es noch einmal zu versuchen, war groß. Ohne große Vorbereitungen bezogen wir ruhig im Altholz fünfzig Meter vom Einstand entfernt hinter einer starken Fichte Stellung. Der Wind blies uns ins Gesicht. Mein Gast stand direkt am Baum, um mit der Waffe anstreichen zu können, ich direkt dahinter, um ihm gegebenenfalls die nötigen Instruktionen zu erteilen. In Anbetracht des schon fortgeschrittenen Tages ließ ich das „Vorspiel“ weg und machte gleich richtig „Musik“. Es dauerte nur wenige Minuten, da stand der „Alte“ am Dickungsrand, um nachzusehen, wer da auf seinem Grund und Boden die Geißen so hart trieb. Da das angrenzende Altholz gut überschaubar war, löste er sich trotz eindringlicher Fieplaute nicht von der Stelle. „Auf den Stich“, wisperte ich meinem Begleiter von hinten ins Ohr. Nun ist es nicht jedermanns Sache, angestrichen sauber zu treffen. Deshalb stützte ich den frei in der Luft stehenden rechten Ellbogen des Schützen mit meinem Oberkörper ab. Möglichst ruhig stehend dauerte es für mich eine Ewigkeit, bis der Schuss endlich brach. Der Bock fiel rückwärts in sich zusammen, und es war nur noch ein leichtes Schlegeln zu hören. Dies sind Erlebnisse wie sie in unserem Revier in den Tagen der Hochbrunft fast täglich vorkommen. Wer eine erfolgreiche Blattjagd haben will, muss eine Vielzahl von Dingen beachten, Vorbereitungen treffen und Vorarbeit leisten. Die Vorarbeit besteht hauptsächlich darin, das Geschlechterverhältnis in Ordnung zu bringen oder zu halten. Dies ist keine kurzfristige Angelegenheit, sondern jahrelange gewissenhafte Arbeit am weiblichen Rehwildabschuss. Seit Jahren forcieren wir in unserem Privatforst folgenden Herbstabschuss: Alle Geißkitze (Ausnahme besonders stark) Keine Bockkitze (Ausnahme besonders schwach) Alle Geißen ohne – oder deren Kitze bereits erlegt sind Dadurch hat sich das Geschlechterverhältnis bei 1:1,5 – 1:2 eingependelt, was für eine erfolgreiche Blattjagd gute Voraussetzungen sind. Eigentlich müsste das Verhältnis noch deutlicher zu Gunsten der Böcke ausfallen, aber da Bockterritorien bedeutend größer sind als die der Geißen, lässt es sich nicht vermeiden, dass junge Böcke immer wieder abwandern. Auch bei den Böcken leisten wir Vorarbeit. Gemeint ist der Abschuss vor der Brunft. Zugegeben, an dem Zitat – tote Böcke springen nicht – kommt niemand vorbei. Trotzdem werden aus der Sicht der hegerischen Notwendigkeit von den zirka achtzig Rehböcken etwa die Hälfte vor der Brunft erlegt. Dies sind zum größten Teil geringe Jährlinge. Aber auch der eine oder andere ältere Abschussbock muss schon weichen, um Platz für einen guten jungen zu schaffen. Wer erfolgreich blatten will, muss die Böcke oder zumindest ihre Einstände kennen. In größeren Revieren ist es zweckmäßig, die Einstände zu kartieren. Dort können auch die aufgestellten Blattstände eingezeichnet werden. In unserem Jagdbetrieb stehen zwanzig drei Meter hohe, mobile Ansitzböcke und ebensoviele zusammenklappbare Bodenstände zur Verfügung. Selbstverständlich kann auch von festen Jagdeinrichtungen geblattet werden, vorausgesetzt, sie stehen im richtigen Wind und am richtigen Platz. Zweifellos ist es ein Vorteil, von leicht erhöhten Ständen zu blatten – man sieht das Wild früher und wird selbst weniger wahrgenommen. Bei Erdständen ist auf optimale Deckung zu achten, unnötige Bewegungen (zum Beispiel dauerndes Absuchen mit dem Glas) sind zu vermeiden, da das Wild in Augenhöhe anwechselt. Beim Aufstellen der Stände muss man das Gespür für den richtigen Platz haben. Dazu sollte man sich in den Bock hineinversetzen, um herauszufinden, wo er sich sicher fühlt und wo er ohne Misstrauen springen würde. Grundvoraussetzung ist der gute Wind. Dabei sollten neben den Hauptwindrichtungen auch die lokalen Luftströmungen am Stand berücksichtigt werden, die bedingt durch unterschiedliche Bestandshöhen und Freiflächen ganz anders sein können. Beim Blatten bei halbem Wind ist darauf zu achten, dass der Blattstand nicht zu nahe am Einstand des Bockes liegt. So ist meist genügend Zeit zum Ansprechen, bevor der Bock versucht, sich Wind zu holen. Gut gekehrte Pirschwege sind eine Selbstverständlichkeit.
Eine halbe Stunde ist wohl schon vergangen, seit ich mit meinem Jagdgast auf der etwas erhöht stehenden Kanzel am Waldweg sitze. Das Büchsenlicht ist etwa eine Sunde alt, und die Blattlaute haben mittlerweile eine beträchtliche Lautstärke erreicht. Vor uns über dem Weg liegt ein einigermaßen einsehbarer Jungfichtenbestand. Urplötzlich steht 40 Meter rechts, mitten auf der Waldstraße der erwartete abnorme Bock und sichert zu uns herüber. „Schießen! Der Wind“, flüstere ich. Mein Begleiter jedoch hebt sein Glas, um sich diesen Abnormen genauer anzusehen. Als er die Optik wieder senkt, tritt der Bock unsicher einen Schritt zur Seite, dabei wird sein ohnehin schon gestreckter Träger noch länger. Das Anschlagen der Waffe hält er nicht mehr aus: Er springt ab und verkündet dem ganzen Wald unsere Anwesenheit. „Was hat er denn“, mit dieser Frage bringt mein Nebenmann das Fass meines innerlichen Grolls beinahe zum überlaufen. Doch schon Stunden später ist aller Ärger verflogen, als wir glücklich vor einem gerade erlegten alten Kämpen stehen. Auf der Heimfahrt, die Sonne hatte an diesem zweiten Augusttag um halb zehn schon ganz beträchtlich eingeheizt, kamen wir am Einstand eines mir bekannten alten Bockes vorbei. Der Reiz, es noch einmal zu versuchen, war groß. Ohne große Vorbereitungen bezogen wir ruhig im Altholz fünfzig Meter vom Einstand entfernt hinter einer starken Fichte Stellung. Der Wind blies uns ins Gesicht. Mein Gast stand direkt am Baum, um mit der Waffe anstreichen zu können, ich direkt dahinter, um ihm gegebenenfalls die nötigen Instruktionen zu erteilen. In Anbetracht des schon fortgeschrittenen Tages ließ ich das „Vorspiel“ weg und machte gleich richtig „Musik“. Es dauerte nur wenige Minuten, da stand der „Alte“ am Dickungsrand, um nachzusehen, wer da auf seinem Grund und Boden die Geißen so hart trieb. Da das angrenzende Altholz gut überschaubar war, löste er sich trotz eindringlicher Fieplaute nicht von der Stelle. „Auf den Stich“, wisperte ich meinem Begleiter von hinten ins Ohr. Nun ist es nicht jedermanns Sache, angestrichen sauber zu treffen. Deshalb stützte ich den frei in der Luft stehenden rechten Ellbogen des Schützen mit meinem Oberkörper ab. Möglichst ruhig stehend dauerte es für mich eine Ewigkeit, bis der Schuss endlich brach. Der Bock fiel rückwärts in sich zusammen, und es war nur noch ein leichtes Schlegeln zu hören. Dies sind Erlebnisse wie sie in unserem Revier in den Tagen der Hochbrunft fast täglich vorkommen. Wer eine erfolgreiche Blattjagd haben will, muss eine Vielzahl von Dingen beachten, Vorbereitungen treffen und Vorarbeit leisten. Die Vorarbeit besteht hauptsächlich darin, das Geschlechterverhältnis in Ordnung zu bringen oder zu halten. Dies ist keine kurzfristige Angelegenheit, sondern jahrelange gewissenhafte Arbeit am weiblichen Rehwildabschuss. Seit Jahren forcieren wir in unserem Privatforst folgenden Herbstabschuss: Alle Geißkitze (Ausnahme besonders stark) Keine Bockkitze (Ausnahme besonders schwach) Alle Geißen ohne – oder deren Kitze bereits erlegt sind Dadurch hat sich das Geschlechterverhältnis bei 1:1,5 – 1:2 eingependelt, was für eine erfolgreiche Blattjagd gute Voraussetzungen sind. Eigentlich müsste das Verhältnis noch deutlicher zu Gunsten der Böcke ausfallen, aber da Bockterritorien bedeutend größer sind als die der Geißen, lässt es sich nicht vermeiden, dass junge Böcke immer wieder abwandern. Auch bei den Böcken leisten wir Vorarbeit. Gemeint ist der Abschuss vor der Brunft. Zugegeben, an dem Zitat – tote Böcke springen nicht – kommt niemand vorbei. Trotzdem werden aus der Sicht der hegerischen Notwendigkeit von den zirka achtzig Rehböcken etwa die Hälfte vor der Brunft erlegt. Dies sind zum größten Teil geringe Jährlinge. Aber auch der eine oder andere ältere Abschussbock muss schon weichen, um Platz für einen guten jungen zu schaffen. Wer erfolgreich blatten will, muss die Böcke oder zumindest ihre Einstände kennen. In größeren Revieren ist es zweckmäßig, die Einstände zu kartieren. Dort können auch die aufgestellten Blattstände eingezeichnet werden. In unserem Jagdbetrieb stehen zwanzig drei Meter hohe, mobile Ansitzböcke und ebensoviele zusammenklappbare Bodenstände zur Verfügung. Selbstverständlich kann auch von festen Jagdeinrichtungen geblattet werden, vorausgesetzt, sie stehen im richtigen Wind und am richtigen Platz. Zweifellos ist es ein Vorteil, von leicht erhöhten Ständen zu blatten – man sieht das Wild früher und wird selbst weniger wahrgenommen. Bei Erdständen ist auf optimale Deckung zu achten, unnötige Bewegungen (zum Beispiel dauerndes Absuchen mit dem Glas) sind zu vermeiden, da das Wild in Augenhöhe anwechselt. Beim Aufstellen der Stände muss man das Gespür für den richtigen Platz haben. Dazu sollte man sich in den Bock hineinversetzen, um herauszufinden, wo er sich sicher fühlt und wo er ohne Misstrauen springen würde. Grundvoraussetzung ist der gute Wind. Dabei sollten neben den Hauptwindrichtungen auch die lokalen Luftströmungen am Stand berücksichtigt werden, die bedingt durch unterschiedliche Bestandshöhen und Freiflächen ganz anders sein können. Beim Blatten bei halbem Wind ist darauf zu achten, dass der Blattstand nicht zu nahe am Einstand des Bockes liegt. So ist meist genügend Zeit zum Ansprechen, bevor der Bock versucht, sich Wind zu holen. Gut gekehrte Pirschwege sind eine Selbstverständlichkeit.
Nachdem die „Möblierung“ des Waldes abgeschlossen ist, zu den Hauptdarstellern – den Böcken. Einige Fragen beschäftigen die Jäger in der Regel am meisten: Wann springen die Böcke? Wann springen sie am besten? Wären diese Fragen mit Datum und möglichst auch Uhrzeit zu beantworten, so wäre die Rufjagd auf den roten Bock ein alter Hut. Die Erfahrungen, auch die der Experten, gehen in dieser Frage jedoch gar nicht so weit auseinander. Vor ein paar Jahren hatte ich einen Schmiedemeister aus dem Allgäu zu Gast auf einen Bock. Ein uriger Kerl, der am 24. Juli schon frühzeitig im Hof des Forstamtes stand. Für den Abendansitz war es noch zu früh, so schlug ich zur Überbrückung vor, in der Nähe einer viel befahrenen Straße zu blatten. Schon nach den ersten Fiepserien rammte mein Begleiter mir seinen Ellbogen in die Rippen. „Da, ein Bock!“ Wie an einer Schnur zog aus der etwa 50 Meter entfernten Fichtenkultur ein mittelalter Bock direkt auf unsere Kanzel zu. So war für ihn um 19.00 Uhr die Bockjagd schon beendet, als er immer noch staunend vor seinem ersten Blattjagdbock stand. Ähnliches erlebte ich einmal am 25. Juli nachmittags mit einem Gast. Dies sind aber in unserem Revier in sechshundert Metern Meereshöhe die Ausnahmen. So richtig los geht es am 26. oder spätestens 27. Juli und zieht sich bis zum Ende des Monats in etwa gleichbleibender Intensität dahin. Dies sind zwar keine Highlights, aber immer zuverlässige Blattjagdtage, in denen immer Böcke springen. Zwischen dem 1. bis 5. August kann alles passieren. Manchmal hatten wir an einigen dieser Tage kaum Blatterfolge. Doch es kann auch ganz anders kommen, wie ein Erlebnis vom 4. August beweist: Mein Schwager war in Vorbereitung zur Jägerprüfung. Um 18 Uhr saßen wir an einem Fichtentrauf an einer Wiese. Uns gegenüber auf 300 Meter der Wald des Nachbarn, dazwischen ein etwa ein Hektar großes Feuchtbiotop. Im Binsengras stand ein Jährlingsbock, und wir wollten mit ein paar Blattlauten die Reaktion dieses Jünglings testen. Es war unglaublich! Schon nach den ersten Fieptönen stürmten zwei Böcke aus dem Biotop und weitere zwei vom gegenüberliegenden Wald über die freie Wiese auf uns zu. Favoriten für solch optimale Blattjagdtage sind zweifellos der 3. und 4. August, aber wir sind auch schon genau an diesen Tagen leer ausgegangen. Das Blatten bis zum 10. August ist möglich, das Springen wird aber deutlich weniger und auch zaghafter. Es sind aber immer noch Erfolge zu verbuchen. Eines sollte aber mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Das Blatten über diesen langen Zeitraum setzt ein großes Revier, viele Böcke und viele Blattstände voraus. Wer jeden zweiten Tag auf dem gleichem Stand herumblattet, wird keinen Erfolg und somit keine Freude haben.
Zu welcher Tageszeit ist die Springbereitschaft der Böcke am größten? Auch dies ist eine Frage, die immer wieder gestellt wird. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Zustehen der Böcke sehr eng mit den natürlichen Aktivitätsphasen des Rehwildes verknüpft ist. Das Wetter spielt dabei eine wesentliche Rolle. An „normalen Tagen“ ist die Springbereitschaft der Böcke nach dem Hellwerden bis zirka neun Uhr am besten. Allerdings ist beim Frühblatten darauf zu achten, dass die Böcke aufgrund ihrer nächtlichen Aktivität noch weiträumig unterwegs sind, also nicht unbedingt aus ihrem Einstand zu erwarten sind. Stände mit viel Rundumblick sind morgens gefragt. Auch sollte in der Früh länger auf den Ständen ausgeharrt werden, da immer wieder Böcke in Rufweite kommen können. Auch die so genannte Altherren- oder Faulpirsch, zwei bis drei Stunden um die Mittagszeit, ist gut für einen springenden Bock. Nach der Mittagsruhe ist von 16 Uhr bis eine Stunde vor Schwinden des Büchsenlichtes nochmals eine sehr gute Zeit für die Rufjagd. An besonders guten Tagen – mit eben dieser normalen Witterung – können Böcke den ganzen Tag über springen. Schlechte Vorraussetzungen sind starker Regen und Wind. Bei anhaltender Hitze sind meist nur die ersten Morgen- undspäten Abendstunden erfolgsversprechend. Ich erinnere mich noch sehr gut an die ersten Augusttage, die der Bezeichnung „Hundstage“ alle Ehre machten. Es war unerträglich heiß, und nichts bewegte sich. Am Abend des 5. Augusts entlud ein furchtbares Wärmegewitter seine Wassermassen, und der ganze Wald dampfte förmlich. Der Morgen des 6. Augusts war dann ein einziges Schaublatten. An jedem Stand sprangen ein oder sogar gleich mehrere Böcke. Der Ton macht die Musik, lautet ein gängiges Sprichwort. Dies trifft auch oder ganz besonders auf die Rufjagd zu. Die richtigen Töne für die jeweilige Situation zu finden, ist die eigentliche Kunst des Blattens. Seit nahezu dreißig Jahren blatte ich nur mit Mundblattern. Anfangs mit verschiedenen Instrumenten, doch seit einigen Jahren nur noch mit dem „Rottumtaler- Rehblatter“ aus der Werkstatt meines Bruders (s. Kasten). Mit etwas Übung und Einfühlungsvermögen lassen sich damit alle Laute der Rehbrunft exakt nachahmen. Dazu ist es sehr hilfreich, sich vorher die verschiedenen Lautäußerungen des Rehwildes genau einzuprägen. Sicher hat schon jeder Jäger das Klagen des Kitzes vernommen, das er vor dem Mähen aus der Wiese getragen hat. Mit diesem langgezogenem Kitzangstruf habe ich schon viele Geißen samt Bock vor den Stand geholt. Auf die einzelnen Blattlaute möchte ich nicht näher eingehen, dazu empfehle ich auch die von „WILD UND HUND“ angebotenen Blattjagdseminare mit meinem Bruder Klaus. Auch mit dem Buchenblatt habe ich das Anlocken der Rehböcke erlernt. Es gibt eine Vielzahl von Naturblättern, denen man die richtigen Töne entlocken kann. Mein Favorit ist das weinrote Blatt der Blutbuche. Es hat eine scharfe Kante und ist etwas strapazierfähiger als das der Rotbuche. Sehr gut und gerne erinnere ich mich an das erste Erfolgserlebnis mit diesem Blatt: Bei Revierfahrten, wo immer ich gerade etwas Zeit hatte, zupfte ich im Vorbeifahren Buchenblätter ab, um dann anzuhalten und kurz zu üben. Einmal, als ich das Auto wieder startete, sprang direkt neben mir aus dem Gebüsch – zum Greifen nah – ein Rehbock ab ! Na also, es geht doch!
Wie lange auf dem Stand geblattet wird, ist reine Gefühls- und Ermessenssache, angepasst an die jeweilige Konstellation des Umfelds. Eine halbe Stunde sollte dabei keinesfalls unterschritten werden, besser sind 45 Minuten, ja bis zu zwei Stunden in der Früh an einem guten Platz sind möglich. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit einem Jagdgast im Blattstand. Auf ihre Rufe steht ein unbekannter Bock direkt auf den Stand zu. Ihr Begleiter ist im Anschlag und erwartet von ihnen eine Entscheidung. Diese Situation zeigt, dass der blattende Jäger sich schon vorher im Klaren sein muss, was geschossen werden soll, damit er in der Kürze der Zeit überhaupt eine Entscheidung treffen kann. Jeden sich zeigenden Rehbock auf die „Decke zu legen“, wie das einige Jäger durchaus tun, wäre unverantwortlich. Anderseits hemmen zu eng ausgelegte Abschusskriterien Waidmannsheil und Jagdfreude. Deshalb ist der Weg der goldenen Mitte zu suchen. In unserem Privatforst dürfen alle Böcke geschossen werden, mit Ausnahme von jungen (einbis dreiährigen) gut entwickelten Böcken oder anders gesagt – gute Böcke müssen wirklich reif sein. Zurück zu der am Anfang stehenden Geschichte des abnormen verblatteten Bockes. Dieser Bock, der die nächsten Jahre wieder ein normales Sechsergehörn trug, war durch die unerwartete Begegnung mit dem Jäger so verprellt, dass er in den folgenden beiden Jahren nicht mehr vor den Blattstand zu bringen war. Dann, mitte Juli, hatte eine Geiß in der daneben liegenden Abteilung dieses Bockes ihren Einstand. Schon einige Tage stand ein Jährling bei ihr und hielt sie am Zaun eines rechtwinklig angelegten Tannenvorbaus regelrecht gefangen. Plötzlich betrat der Hausherr die Bühne. Dieser sonst so heimliche Bock, stand nun fünf Tage bei dieser brunftigen Geiß direkt neben der Waldstraße im lockeren Altholz. Ich hatte einen Stand aufgebaut, und kurz vor Mittag nahm ich die Sache mit einem Jagdgast in Angriff. Schritt für Schritt, mein Begleiter direkt hinter mir, pirschten wir auf dem seitlichen Grasstreifen des Waldwegs dem Stand entgegen. Da sahen wir auch schon das „Liebespaar“, das gerade treibend in einem Buchenvorbau verschwand. Auf dem Pirschweg erreichten wir unbemerkt unseren Ansitzbock. Schon schallten die ersten Sprengfieptöne durch den mittäglichen Wald. Sofort sprang von rechts aus dem eigentlichen Einstand des Alten ein guter Jährlingsgabler direkt vor unseren Stand. Auch unser „Liebespaar“ wurde auf die Rufe hin wieder aktiv. Noch ein paar Fieptöne und der lange Gesuchte zog direkt auf den Jüngling vor unserem Stand zu. Hier endete die Fährte des Sechs- bis Siebenjährigen für immer.