Eine Chesapeake-Bay-Retriever Hรผndin und ein Drahthaar-Rรผde sollen im ยญVorstehen ยญgeschult werden. Die ยญAnlagen dafรผr sind bei den beiden ยญunterschiedlich stark ausgeprรคgt. ยญRevierjagdmeister Sascha Schmitt musste deshalb alternative Wege beschreiten.
Der erste Schritt der Anlagenfรถrderung im Vorstehen ist mit Sicherheit der fรผr Hund und Fรผhrer einfachste Teil. Beim Spiel mit der Reizangel macht sich sehr schnell bemerkbar, wie weit die Vorstehanlage beim Zรถgling ausgeprรคgt ist und wie viel Arbeit dem Gespann bevorsteht. Deutsch-Drahthaar โGrimmโ zeigte bereits mit neun Wochen ein deutliches Anziehen und Vorstehen an der Reizangel. Der Sichtreiz des Hรคngsels lรถste bei ihm zuverlรคssig ein deutliches Verharren vor dem Beutesprung aus.
Obwohl er in allen anderen Bereichen eher der โGreifertypโ ist und ihn insbesondere ein ausgeprรคgter Vorwรคrtsdrang auszeichnet, gestaltete sich das Fรถrdern der Vorstehanlage bei ihm sehr angenehm. Dass er bereits mit zehn Monaten erste Erfahrungen auf der Saujagd sammelte und dabei gemeinsam mit meinem erfahrenen Kurzhaar-Rรผden und zwei Jagdterriern einen รberlรคufer mit Keulenschuss bis zum Fangstoร eisern hielt, steht keineswegs im Gegensatz zu seiner Vorstehanlage. Vielmehr spricht es fรผr die Frรผhreife und das gefestigte Wesen des noch jungen Allrounders.
Mehrere prรคgende Erlebnisse auf Stรถber- und Baujagden haben sich keinesfalls negativ auf das Vorstehen von โGrimmโ ausgewirkt. Grundsรคtzlich jage ich meine Vorstehhunde so frรผh wie mรถglich im Rahmen ihrer geistigen und kรถrperlichen Entwicklung ein. Das bedeutet auch, dass sie sich schon vor der Jugendsuche ihre Sporen an Sauen und Raubwild verdienen kรถnnen. Bisher hat sich das nie negativ auf die Feldarbeit ausgewirkt.
Bei Retriever-Hรผndin โBellaโ war natรผrlicherweise die Anlage zum Vorstehen bei Weitem nicht so stark ausgeprรคgt wie bei โGrimmโ. Das wurde schon zu Beginn der Ausbildung ersichtlich; nicht nur in der Lรคnge des Ausharrens, sondern auch an der gesamten Kรถrperhaltung. Wรคhrend โGrimmโ zur Salzsรคule erstarrt und sein ganzer Kรถrper beim Vorstehen ยญunter Spannung steht, sind die Vorstehposen von โBellaโ nicht ganz so elegant und dynamisch. Lรถste das โHรคngselโ den nรถtigen Reiz auf die Hรผndin aus, zeigte sie kurz das gewรผnschte Verharren, um dann sofort einzuspringen.
Leckerlis und Lob
โBellaโ, die bis dato komplett ohne Sau- und Fuchsjagderfahrung aufwuchs, offenbarte zwar eine vorhandene, aber vom Greiftrieb รผberlagerte und weitaus diffusere Vorstehanlage als der junge Drahthaar. In der Tat zeigte sich dabei deutlich das Ergebnis einer รผber Generationen reichenden Selektionszucht: Wรคhrend beim Vorstehhund trotz ausgeprรคgter Trieblage die Anlage zum Vorstehen genetisch fest verankert ist, wird beim Apportierhund deutlich, dass hier das zรผchterische Augenmerk selbstverstรคndlich auf ganz andere Schwerpunkte gerichtet wurde. Um das Vorstehen nun zu festigen, wurde tรคglich mit โBellaโ an der Reizangel gearbeitet. Peinlich wurde darauf geachtet, dass sie das Hรคngsel zumindest kurz vorsteht. Dafรผr wurde die Hรผndin ausgiebig gelobt.
Sehr schnell war klar, das scharfer Tadel beim Einspringen und Fassen des Hรคngsels nicht den gewรผnschten Erfolg brachten: Negative Sanktionen hatten einen sofortigen Abbruch der Hรผndin zur Folge. Sie verlor jegliches Interesse an der Reizangel und lieร sich nur schwer fรผr eine Wiederholung motivieren. In diesen Situationen muss der Ausbilder ruhig bleiben und jeden noch so kleinen Erfolg wieder positiv verstรคrken. Leckerlis und akustisches Lob hielten letztlich die Hรผndin bei der Stange.
Schritt zwei auf dem Weg zum Vorstehen gestaltete sich in diesem Frรผhjahr mehr als kompliziert. Der Wintereinbruch im Mรคrz, einhergehend mit Starkfrost und riesigen Schneemassen, machten das Einรผben der Feldarbeit nahezu unmรถglich. In der Feldflur fehlte der geeignete Bewuchs fรผr eine ordentliche Suchenarbeit. Das Niederwild suchte Schutz in den verbliebenen Deckungsbereichen. Das von der Witterung schwer geplagte Federwild nun noch bei der Hundearbeit aus den letzten Refugien zu scheuchen, wรคre absolut unwaidmรคnnisch. Zu viel der schon knappen Energie wรผrde beim Abstreichen vorm Hund verbraucht. Zudem kรถnnte jede Flucht aus der sicheren Deckung Fressfeinden die Jagd erleichtern. Die hohe Konzentration des Wildes in den Hecken und Wรคldchen wรผrde zudem recht schnell die jungen Vierlรคufer รผberfordern.
Es musste eine Alternative her, um die Hunde fรผr die anstehende Prรผfung vorbereiten zu kรถnnen. Schnell war die Lรถsung gefunden: Ich erstand bei einem Ziergeflรผgelzรผchter fรผnf ausgewachsene Wachteln, an denen ich die Vierlรคufer zum Vorstehen bringen wollte. Um die Wachteln gezielt platzieren zu kรถnnen, nutze ich zwei Kรถrbe aus Metall, in denen eigentlich Frรผhstรผcksbrรถtchen gereicht werden. Diese Kรถrbe werden in der Deckung รผber eine der Wachteln gestรผlpt und etwas verblendet. Wichtig beim Vorstehen an Wachteln ist, dass mindestens zwei Vรถgel im Suchengelรคnde platziert werden. Wird regelmรครig mit nur einer Wachtel gearbeitet, kann es sein, dass sich der Vierlรคufer daran gewรถhnt, dass nach einmaligem Vorstehen die Arbeit grundsรคtzlich beendet ist. Hunde, die so eingearbeitet werden, lassen sich nach einmaligem Wildkontakt nur schwer oder gar nicht zum Weitersuchen animieren, was am Prรผfungstag รผble Folgen hat.
Deshalb setze ich den Hunden immer unterschiedlich viele Wachteln vor. Um den Vierlรคufer zusรคtzlich daran zu gewรถhnen, dass er von Feldkante zu Feldkante sucht, werden die Wachteln immer in die Nรคhe des Ackerrandes gestellt. Der Abstand zwischen den Vรถgeln wird so gewรคhlt, dass der Vierlรคufer nicht sofort Wittrung von beiden bekommt. Auรerdem muss er nach dem Vorstehen Zeit haben, um wieder in eine flรผssige Suche zu finden. Gewiss ist es ein Nachteil, die Hunde nur an โfest sitzendesโ Wild zu bringen. So kรถnnen sie nicht das Nachziehen und Festmachen am ablaufenden Federwild praktizieren. Aber vorrangig geht es darum, die Anlage zum sicheren Vorstehen herauszuarbeiten.
Wie zu erwarten, zeigte sich die Arbeit mit โGrimmโ zunรคchst erfreulich einfach. Nachdem die Wachteln im Suchengelรคnde versteckt wurden, empfiehlt sich gerade bei niedrigen Temperaturen eine Wartezeit von mehreren Minuten, in denen sich eine โWittrungswolkeโ um den Vogel bilden kann. Anschlieรend wurde der Drahthaar an der Feldleine zur Suche geschickt. Die Feldleine dient dabei in erster Linie nicht als Notbremse, sondern als Signalgeber, mit dem man den Hund richtig in den Wind stellt und zur Wachtel leitet. Durch Anheben des Kopfes zeigte โGrimmโ sehr deutlich, dass er erste Wittrungsfetzen erfasst hatte. Ein Ruck ging durch den Vierlรคufer, und wie elektrisiert schlich er in Richtung Wachtel.
Sobald sicher ist, dass die Wachtel wahrgenommen wurde, muss der Hundefรผhrer auf der Hut sein. Sofort wird die Feldleine auf leichte Spannung gebracht, um den jungen Hund gegebenenfalls einbremsen zu kรถnnen. Bereits bei der ersten รbung zog โGrimmโ sehr weit an und stand dann in sauberer Manier vor. Steht er fest vor, nรคhere ich mich mit dem Kommando โSteh!โ von der Seite. Dabei achte ich darauf, dass der Vierlรคufer mich aus dem Augenwinkel sehen kann. Viele Hunde neigen nรคmlich zum Einspringen, wenn der Fรผhrer von hinten an sie herantritt.
Am Hund angekommen, wird dieser ruhig gelobt und auch abgeliebelt, wรคhrend das Wort โSteh!โ ruhig wiederholt wird. Die gespannte Feldleine verhindert ein Einspringen schon im Ansatz, und jeglicher Versuch wird mit einem deutlichen Kommando sanktioniert. Der Befehl โDownโ kann dabei durchaus hilfreich sein. Er darf aber nur verwendet werden, wenn der Hund ihn auch kennt und zuverlรคssig ausfรผhrt. Jeglicher Druck seitens des Fรผhrers kann in Verbindung mit Wildwittrung fatale Folgen haben. Sollte der Vierlรคufer die negative Reaktion seines Herrn mit dem Wildkontakt verknรผpfen, ist er auf dem besten Weg zum Blinker.
Man muss sich also genau รผber den Ausbildungsstand des Hundes im Klaren sein, bevor ein noch unzureichend gefestigtes Kommando zur falschen Zeit gegeben wird. Grundlegende Gehorsamsรผbungen betreibe ich daher nie im Revier, sondern auf einem Dressurplatz. So vermeide ich, dass sich eventuelle Spannungen aus dem Gehorsamsbereich in die jagdliche Erziehung รผbertragen. Vor allem die โDownโ-Dressur kann sich durchaus negativ bei der Feldarbeit bemerkbar machen. Sollte sich der Hund nach dem โDownโ-Befehl gehemmt in der Suche zeigen, ist das mit groรer Wahrscheinlichkeit ein Indiz dafรผr, dass sich der Ausbildungsdruck ins Feld รผbertrรคgt. In diesem Fall muss auf das โDownโ bei der Feldarbeit so lange verzichtet werden, bis der Hund die รbung auf dem Ausbildungsplatz tatsรคchlich richtig verknรผpft und einsortiert hat.
Nach dem Vorstehen wird โGrimmโ grundsรคtzlich unter Lob ein Stรผck weit abgetragen und dann wieder zur Suche geschickt. Selbstverstรคndlich versucht er bei den ersten Malen umgehend wieder zur ersten Wachtel zurรผckzukehren. Durch die Feldleine ist es aber ein Leichtes, ihn in die Richtung des nรคchsten Vogels zu dirigieren. Nach wenigen รbungen verstand โGrimmโ, welches Verhalten von ihm erwartet wird. Sehr schnell bestach er durch sauberes und ausdrucksvolles Vorstehen.
โBellaโ strapazierte in der Ausbildung weit mehr mein Nervenkostรผm. Bei den ersten รbungen zog sie grundsรคtzlich รคuรerst heftig in Richtung der Wachtel. Dabei deutete sie nicht einmal ansatzweise ein Vorstehen an. Um sie bremsen zu kรถnnen, forderte ich zunรคchst ein โSitzโ von ihr ein. Bei einem anderen Vierlรคufer hรคtte sich in dieser Situation gewiss auch das โDownโ bewรคhrt, bei der sensiblen Retriever-Hรผndin hielt ich es aber fรผr eine zu starke Sanktion. Aus dem โSitzโ heraus konnte sie dann kontrolliert in Wachtelnรคhe gebracht werden. Sehr stark reagierte die Hรผndin dabei auf die Stimmlage, mit der die Befehle gegeben wurden.
Lob & Tadel
Jegliche positive Handlung musste augenblicklich mit Lob bedacht werden. Genauso schnell musste aber auch getadelt werden, um negative Verhaltensmuster, wie Vorprellen oder Einspringen, zu unterbinden. Trotz dieser รbungen blieb der gewรผnschte Erfolg zunรคchst noch aus. Die Wende brachte eine relativ unorthodoxe Vorgehensweise. Ich lieร โBellaโ die Wachtel erรคugen. Zur Wittrung kam nun der optische Reiz hinzu โ รคhnlich wie an der Reizยญangel. Und siehe da: โBellaโ stand bedeutend besser! Das Suchen auf Nase und Sicht praktizierten wir einige Male, bis die Chessie-Hรผndin auch den versteckten Hรผhnervogel ruhig und sauber vorstand.
Bereits diese Erfahrung lรคsst erkennen, dass das Vorstehen bei โBellaโ weniger als Anlage zu bewerten ist. Vielmehr ist es bei dem Retriever ein Produkt der Abrichtung. Keinesfalls sollte dieser Umstand als Mangel bei der aufgeweckten, emsigen Hรผndin angesehen werden. Vielmehr freue ich mich auf die kommende Ausbildung im Apport und vor allem am Wasser. Denn dabei hat โBellaโ schon sehr รผberzeugende Anlagen gezeigt und deutlich gemacht, wofรผr sie geschaffen ist.
Erst wenn das Vorstehen an der Feldleine richtig klappt, dรผrfen โGrimmโ und โBellaโ die beschriebenen รbungen frei arbeiten. Dabei ist das zuverlรคssige โDownโ aber unerlรคsslich. Nur dadurch lassen sich die Hunde augenblicklich am Einspringen hindern. Zusรคtzlich wird nach Rรผckgang der Schneelage jede Mรถglichkeit zum Vorstehen an Federwild genutzt, um die jungen Hunde an die Wittrung der verschiedenen Wildarten zu gewรถhnen.