Warum jagen wir?

Wild
Ein kapitaler Bock liegt auf der
Strecke. Die Trophรคe, das starke Gehรถrn,
wird den Erleger immer wieder an diesen
erfolgreichen Jagdtag erinnern

Vom Nahrungserwerb zur Freizeitbschรคftigung

Unsere Vorfahren haben Wild gejagt, um zu รผberleben. Diese Zeiten sind bei uns inzwischen vorbei. Wenn man Fleisch essen mรถchte, geht man in den Supermarkt oder zum Metzger und kauft es direkt kรผchenfertig aus der Vitrine. Trotzdem gehen wir in unserer Freizeit zur Jagd. Warum? Dr. Heribert Kalchreuter geht dieser Frage auf den Grund.

Die Erbeutung von Wild ist zwar weiterhin das Ziel des heutigen Jรคgers, und das aus natรผrlicher Umgebung gewonnene Wildbret eine begehrte Abwechslung zum Protein aus Tierzuchtbetrieben. Aber das eigentliche Motiv der Freizeitjagd ist ein anderes. Der Jรคger geht in erster Linie auf die Jagd, um die Natur zu genieรŸen, um einen Ausgleich zu finden zum beruflichen Alltag in einer naturentfremdeten Zivilisation. Er unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von Millionen Erholung suchender Mitmenschen, die sich als Naturfreunde an ursprรผnglicher Landschaft, am Rauschen des Waldes, am murmelnden Bach im Wiesental oder am Vogelkonzert zum Sonnenaufgang erfreuen. Aktiven Naturgenuss, also Bewegung in frischer Luft, propagieren die Naturheilkundler, Wandervereine regen zu ausgedehnten Wanderungen an, Volkslรคufe und Skisport werden zunehmend populรคrer. Der Jรคger findet seinen Ausgleich im Aufsuchen des Wildes, in der
anstrengenden Pirsch auf den Gamsbock auf verschneitem Grat oder in stundenlangem
Marsch รผber Sturzรคcker wรคhrend der herbstlichen Feldtreibjagd. Auch in anderer Hinsicht ist die Jagd den Freizeitaktivitรคten nicht jagender Mitbรผrger vergleichbar. Der Fotograf will ein Bild โ€žschieรŸenโ€œ, will das Tier festhalten, dem er so lange aufgelauert hat. Das Foto
ist ihm Erinnerung an ruhige Stunden am innerung an das faszinierende Erlebnis haben,
an das lange gesuchte Wild. Wie dem mit der Kamera jagenden Naturfreund sein Bild, so soll dem Jรคger das prรคparierte Wild oder ein Teil davon, die Trophรคe, Erinnerung sein an viele Pirschtage auf den alten heimlichen Bock, an das Quorren der Waldschnepfe am lauen Frรผhlingsabend, an die Saujagd an frostklaren Wintertagen bei stahlblauem Himmel und stiebendem Pulverschnee. Der SchieรŸtrieb ist also noch vorhanden. Jagdkritiker bezeichnen ihn als steinzeitliches Verhaltensrelikt, aber er ist sportlich motiviert. โ€žSport huntingโ€œ wird daher diese dritte Stufe der Jagdausรผbung im englischsprachigen Ausland genannt. Im Vordergrund steht das Bemรผhen, sich mit den Sinnen des Wildes zu messen. Das Tรถten
des Wildes ist eher nebensรคchlich, wird sogar gelegentlich bedauert, denn es bedeutet das Ende der Jagd. โ€žJage so viel wie mรถglich, aber tรถte so wenig wie mรถglich!โ€œ โ€“ so die Police
der im Club des Becassiers vereinigten franzรถsischen Schnepfenjรคger, die sich auf jeder Titelseite ihrer Gazette โ€žLa Mordoreeโ€œ findet und so ihre Mitglieder zur Zurรผckhaltung mahnt. Der Gedanke der nachhaltigen Nutzung der Wildbestรคnde ist ein wesentliches Charakteristikum der Freizeitjagd. Eine Hรผhnerjagd wird bald abgebrochen und bis auf
Weiteres nicht wiederholt, wenn sich nach stundenlanger Streife รผber die  spรคtsommerlichen Felder kaum mehr eine Kette zeigt. Und ein Jagdherr wird Mรผhe haben,
genรผgend Schรผtzen fรผr eine Treibjagd zu bekommen, die im Ruf einer Strecke von
hรถchstens fรผnf Hasen steht. Hier hilft dann nur eine Verlagerung der Aktivitรคt auf den
gesellschaftlichen Teil der Jagd, das โ€žletzte Treibenโ€œ im Wirtshaus. Der Hasenbesatz
hat unter dieser Bejagung kaum zu leiden. Das aus dem griechischen abgeleitete Wort Trophรคe bedeutet โ€žSiegeszeichenโ€œ. Als solche galten zum Beispiel die nach einer
Schlacht vom besiegten Feind erbeuteten Waffen oder Fahnen. Nur durch Mut und Tapferkeit waren diese zu erringen und entsprechend symbolischen Wert hatten
sie fรผr den Sieger. Das galt sinngemรครŸ auch fรผr die Erbeutung wehrhaften Wildes. Bei
jagenden Naturvรถlkern war es von jeher รผblich, die โ€žWaffenโ€œ โ€“ also hornbewehrte
Schรคdel, Gebisse oder Krallen โ€“ besonders starker Exemplare als Erinnerung an einen
siegreichen Kampf aufzubewahren.
Sauen! Allein dieser
Anblick, lรคsst alles andere
vergessen. Das Erlegen des
Keilers ist eigentlich
nebensรคchlich, meint der
Autor, es wird
sogar manchmal
bedauert,weil es das Ende
der Jagd bedeutet FOTOS: MICHAEL MIGOS, BURKHARD WINSMANN-STEINS
Daran hat sich im Grunde bis heute nichts geรคndert. Doch die Trophรคenjagd im heutigen Sinne entwickelte sich erst gegen Ende des 19. und im Laufe des 20. Jahrhunderts.
Das Spektrum der Interessen wurde breiter. Nicht nur besonders starker oder ausgefallener Kopfschmuck, sondern nahezu jedes Gehรถrn oder Geweih kommt als Erinnerungsstรผck an erlebnisreiche Jagdtage zu Ehren. Dank der in Amerika entwickelten modernen Technik finden sich zunehmend auch headmounts, also Kopf-Schulter-Prรคparate, in deutschen Jagdzimmern. Sie vermitteln auch dem nicht jagenden Betrachter eine Vorstellung von der wenig bekannten Artenvielfalt ferner Wildbahnen. Auch Flugwild gewann in dieser Hinsicht an Wertschรคtzung, meist als Ganzprรคparat in Lebendstellung oder hรคngend als โ€žStillebenโ€œ. Selbst Teile davon, etwa die Malerfedern der Waldschnepfe
oder ihre Bรผrzelfeder, der โ€žSchnepfenbartโ€œ, halten die Erinnerung an erfolgreiches
Waidwerk wach. Insofern sind Trophรคen nur fรผr den Erleger von unschรคtzbarem, fรผr Nichtjรคger dagegen oft unverstรคndlichem Wert. Mit dem Ableben des Erlegers schrumpft er auf den sehr viel geringeren materiellen Wert zusammen. Bezeichnenderweise bekamen
frรผher verstorbene Eskimos ihre stรคrksten Trophรคen mit ins Grab. Jagdtrophรคen sind eben nicht mehr und nicht weniger als Erinnerungsstรผcke an jagdliche Erlebnisse!

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