Schnell ist es passiert – das erlegte Stück Wild ist verhitzt.Warum kommt das eigentlich auch im Winter vor? Und woran erkennt man verhitztes Wildbret? Die Antworten finden Sie hier.
Wie schnell verhitzt ein im Sommer erlegtes und nicht unmittelbar danach ausgeweidetes Stück Schwarzwild? Eine immer wieder diskutierte Frage, die sich nicht nur auf Sommersauen beschränken darf, sondern auch auf jedes andere Stück Schalenwild, das bei warmen Außentemperaturen erlegt wurde. Doch diese Frage eindeutig zu beantworten, ist praktisch nicht möglich. Der Grund: Es sind gleich mehrere Faktoren, die zur Verhitzung von Wild führen und in unterschiedlicher Kombination zusammentreffen:
● Körpertemperatur und Konstitution des Wildes zum Zeitpunkt des Verendens;
● Lage und Größe des Ausschusses;
● Umgebungstemperatur;
● die verflossene Zeit zwischen Eintritt des Todes und dem Versorgen;
● Frühjahr, Sommer, Herbst, Winter.
Körpertemperatur und Konstitution
Ein ungestresstes, gesundes Stück Schalenwild weist eine Körpertemperatur von 37 bis 38 Grad Celsius auf. In einer Stress-Situation steigt sie in kürzester Zeit auf 40 Grad Celsius und mehr an. Eine Stress-Situation ist bei einem angeschweißt ins Wundbett ziehenden und dort verendenden Stück, aber auch bei einem vor dem Hunde flüchtenden Wild immer gegeben! Ein sich im guten Allgemeinzustand befindendes Stück Schwarzwild (auch anderes Wild) weist außerdem unter der Schwarte (Decke) eine isolierende Fettschicht auf, die ein Abkühlen des Wildbrets verzögert. insbesondere dann, wenn es unaufgebrochen über Stunden liegen bleibt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass schwerere Stücke schneller verhitzen als schwächere.
Lage und Größe des Ausschusses spielen insoweit eine Rolle, da er der Luft Zutritt in das Körperinnere ermöglicht und dadurch ein Abkühleffekt hervorgerufen wird – sofern das Stück nicht auf
dem Ausschuss liegt. Dieses „Loch“ in Decke oder Schwarte kann den Eintritt des Verhitzens zeitlich hinauszögern, allerdings nicht über mehrere Stunden. Ist der Ausschuss beispielsweise durch Gescheide verstopft, kann das Stück Wild bereits beim Auffinden verhitzt sein. Die Umgebungstemperatur spielt, und dies mag viele Jäger erstaunen, eine wesentlich geringere Rolle, als allgemein angenommen. Der Grund: Das Verhitzen des Wildbrets kommt in erster Linie durch den im Körper produzierten Wärmestau, der zur stickigen Reifung führt – die Umgebungstemperatur hat dabei nur bedingt Einfluss. Bei diesem Wärmestau bilden sich in den Fleischzellen anstelle der für die Fleischreifung gewünschten Milchsäure die unerwünschte Buttersäure, Schwefelwasserstoff und der Blutfarbstoff Porphyrine. Das Wildbret nimmt eine bräunlich bis kupferrote Farbe an, schillert an der Oberfläche, riecht unangenehm scharf und stickig, ist trocken und brüchig. Ein nicht rückg.ngig zu machender Vorgang, der auch bei versorgtem, jedoch nicht ausreichender Lüftung und Kühlung ausgesetztem Wild (Transport im Kofferraum, Aufeinanderlegen des Wildes, Aufhängen in enger Wildkammer, Nicht-Lüften) zeitlich genauso schnell abläuft wie bei einem unaufgebrochenen Stück Wild. Dem Verhitzen folgt die Fäulnis, die durch Gasbildung in den inneren Organen, in der Muskulatur sowie unter Brust- und Bauchfell, durch schmierige Beläge auf der Fleischoberfläche und durch fauligen Geruch auffällt.
Wild kann schon nach 90 Minuten verhitzen
In ungünstigen Fällen (zum Beispiel bei schwerem, gestressten Wild, ohne Ausschuss, starke Sonneneinstrahlung auf den Wildkörper mit zusätzlichem Aufheizeffekt) kann ein Verhitzen des Wildbrets bereits nach 90 Minuten eintreten. Je mehr Zeit bis zum Aufbrechen vergeht, desto größer ist daher die Wahrscheinlichkeit, dass das Wildbret durch stickige Rfung nicht mehr essbar ist. Hiervon kann generell bei abends oder in der Nacht beschossenem und am nächsten Morgen nach kurzer Nachsuche verendet angetroffenem Schalenwild ausgegangen werden.
Viele Jäger halten seit Jahrzehnten an der Aussage fest, dass ein in kühler Herbst- oder in kalter Winterzeit auf der Nachsuche verendet aufgefundenes Stück Wild der Gefahr des Verhitzens weniger ausgesetzt sei als in der warmen Sommerzeit. Dass diese Aussage aber nur in ganz bestimmten Einzelfällen (großer, oben liegender Ausschuss mit Öffnung der Brust- und Bauchhöhle und tiefe Frosttemperaturen) zutreffend, generell aber nicht richtig ist, wissen neben Gastronomen und Wildhändlern auch all jene Jagdpraktiker, die solches Wild nachfolgend selbst zerwirkt haben.
In der Wildkammer sind die zuvor im Revier nicht wahrgenommenen, auf ein teilweises oder totales Verhitzen des Wildbrets hinweisenden Veränderungen im Geruch und die im Inneren der Muskel erfolgten Verfärbungen eindeutig feststellbar. Warum das auch in der kühlen Jahreszeit bei dem „Winterwild“ vorkommt? Ganz einfach: Das Winterhaar isoliert stärker als das Sommerhaar. Außerdem ist zur Herbst- und Winterzeit die ebenfalls isolierende Fettschicht unter Schwarte und Decke wesentlich dicker. Der Temperatur- Austausch ist trotz kalter Umgebungstemperatur wesentlich geringer und langsamer als bei einem Stück im Sommerhaar mit geringer Fettschicht unter Schwarte oder Decke. Nach zwei Stunden wird es kritisch Beim Auffinden von Wild, das nicht länger als zwei Stunden nach dem Verenden gelegen hat, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sein Wildbret noch nicht verhitzt ist, da die die Fleischreifung bedingenden und auch zur stickigen Reifung führenden biochemischen Prozesse erst kurzzeitig angelaufen sind. Sie haben also noch nicht den gesamten Wildkörper, insbesondere die Rücken- und Keulenmuskulatur, erfasst. Dass solche Stücke anschließend an luftigem Ort hängend schnell auskühlen müssen, ist eine wichtige Bedingung für die Gewinnung verzehrfähigen Wildbrets. Bei allen Stücken, die später als zwei Stunden nach dem Verenden aufgefunden werden, ist ein beginnendes beziehungsweise bereits erfolgtes Verhitzen des Wildbrets zu unterstellen. Gut zu erkennen ist das Verhitzen an starker Gasbildung im Magen- beziehungsweise Darmkanal, an der Verfärbung der Bauchorgane und der Bauchinnenhaut. Dabei gilt: Je schwerer das Stück (höheres Wärmepotential), desto weiter fortgeschritten ist die stickige Reifung. Dass auch nach dem Versorgen eines ohne Nachsuche zur Strecke gekommenen Stückes Wild das Wildbret durch Wärmestau verhitzen kann, sollte ebenfalls bedacht werden. Das erlebte ein Revierpächter, der einen abends von einem Jagdgast erlegten 28 Kilogramm schweren Frischling eine Stunde später in den Keller seiner Jagdhütte gehängt hatte und ihn am nächsten Tag wegen Verhitzens als stinkenden Kadaver entsorgen musste. Die Kellertemperatur von zwölf Grad Celsius hatte nicht ausgereicht, das Wildbret rechtzeitig herunterzukühlen. Eine der Ursachen für das Verhitzen könnte rückblickend auch das längere Schlegeln des Frischlings nach dem Schuss gewesen sein. Bei dem noch kurzfristig funktionierendem Blutkreislauf erhitzte sich der Schwarzkittel durch die Muskelaktivität und den Stress zusätzlich.
Schwarzwild in Mais und Suhle
Wer schon einmal in einer Vollmondnacht ein am Maisfeld beschossenes und in diesen hineinflüchtendes Stück Schwarzwild nachgesucht hat, der wird festgestellt haben, dass im Maisschlag höhere Temperaturen herrschen als draußen. Der Grund: Die Blätter der Maispflanzen wirken wie eine Markise – das am Tage durch Sonneneinstrahlung aufgeheizte Feld kühlt sich in der Nacht wesentlich langsamer ab als beispielsweise eine Wiese. Damit ist die Gefahr des Verhitzens des Wildkörpers besonders hoch. Hinzu kommt,dass bei einem Stück Schwarzwild, das sich vor dem Schuss den Magen voll Mais geschlagen hat, nach dem Verenden relativ rasch die Gärung des Mageninhaltes beginnt. Gärung,ein durch Mikroorganismen verursachter biochemischer Prozess, führt zur Gasbildung mit einem gleichzeitigen Anstieg der Temperatur in der Gärmasse (Mageninhalt). Die Folgen: Relativ schnelles Aufblähen des Wildkörpers bei zusätzlicher innerer Erwärmung, die ein Absinken der Körpertemperatur zeitlich hinauszögert. Findet man solche Sauen erst Stunden nach dem Verenden, weisen sie alle Merkmale des Verhitzens und eine hohe Belastung des Wildbrets mit Erregern
auf. Wird der Wildkörper dann bei der amtlichen Fleischuntersuchung gespalten, sind im Bereich des Rückenmarks die Zeichen eindeutig:Schmierige grünliche Verfärbungen und scharfer,unangenehmer Geruch. Ähnliches ist übrigens bei krank geschossenem Schwarzwild zu erwarten,das sich in den Sommermonaten in eine Suhle oder einen Schilfgürtel einschiebt und dort verendet. Der gegenüber der Umgebungstemperatur wärmere Schlamm wirkt wie ein Isoliermantel, verzögert das Absinken der Körpertemperatur und beschleunigt das Verhitzen. Hinzu kommt,sofern das Stück noch einige Zeit lebt, eine Infektion durch über die Schusswunde eingedrungene Bodenbakterien, die über die Blutbahn im ganzen Körper umverteilt werden, mit kurzzeitig nachfolgender infektionsbedingter Erhöhung der Körpertemperatur auf 40 Grad Celsius und mehr. Eine amtliche Fleischuntersuchung (nicht zu verwechseln mit der amtlichen Untersuchung auf Trichinen!) mit bakteriologischer Untersuchung (BU) ist zwingend. Ansonsten: Entsorgen des Schwarzkittels in einem Tierkörperbeseitigungs-Unternehmen.