Wildbrethygiene: Wann ist Wild verhitzt?

Schnell ist es passiert โ€“ das erlegte Stuฬˆck Wild ist verhitzt.Warum kommt das eigentlich auch im Winter vor? Und woran erkennt man verhitztes Wildbret? Die Antworten finden Sie hier.

Die Gefahr des Verhitzens ist unter dem wรคrmestauenden
โ€žBaldachinโ€œ der Maisblรคtter besonders groรŸ FOTOS: HINRICH EGGERS, BURKHARD WINSMANN-STEINS
Olgierd E. J. Graf Kujawski
Wie schnell verhitzt ein im Sommer erlegtes und nicht unmittelbar danach ausgeweidetes Stuฬˆck Schwarzwild? Eine immer wieder diskutierte Frage, die sich nicht nur auf Sommersauen beschrรคnken darf, sondern auch auf jedes andere Stuฬˆck Schalenwild, das bei warmen AuรŸentemperaturen erlegt wurde. Doch diese Frage eindeutig zu beantworten, ist praktisch nicht mรถglich. Der Grund: Es sind gleich mehrere Faktoren, die zur Verhitzung von Wild fuฬˆhren und in unterschiedlicher Kombination zusammentreffen:
โ— Kรถrpertemperatur und Konstitution des Wildes zum Zeitpunkt des Verendens;
โ— Lage und GrรถรŸe des Ausschusses;
โ— Umgebungstemperatur;
โ— die verflossene Zeit zwischen Eintritt des Todes und dem Versorgen;
โ— Fruฬˆhjahr, Sommer, Herbst, Winter.

Kรถrpertemperatur und Konstitution
Ein ungestresstes, gesundes Stuฬˆck Schalenwild weist eine Kรถrpertemperatur von 37 bis 38 Grad Celsius auf. In einer Stress-Situation steigt sie in kuฬˆrzester Zeit auf 40 Grad Celsius und mehr an. Eine Stress-Situation ist bei einem angeschweiรŸt ins Wundbett ziehenden und dort verendenden Stuฬˆck, aber auch bei einem vor dem Hunde fluฬˆchtenden Wild immer gegeben! Ein sich im guten Allgemeinzustand befindendes Stuฬˆck Schwarzwild (auch anderes Wild) weist auรŸerdem unter der Schwarte (Decke) eine isolierende Fettschicht auf, die ein Abkuฬˆhlen des Wildbrets verzรถgert.  insbesondere dann, wenn es unaufgebrochen uฬˆber Stunden liegen bleibt. Grundsรคtzlich ist davon auszugehen, dass schwerere Stuฬˆcke schneller verhitzen als schwรคchere.

verhitzen des wildbrets
Unterschรคtzt wird,wie
schnell es auch im
Winter zur stickigen
Reifung kommen kann.
Feist und Winterhaar
verlangsamen ein
Auskuฬˆhlen
Ausschuss kann Verhitzen verzรถgern
Lage und GrรถรŸe des Ausschusses spielen insoweit eine Rolle, da er der Luft Zutritt in das Kรถrperinnere ermรถglicht und dadurch ein Abkuฬˆhleffekt hervorgerufen wird โ€“ sofern das Stuฬˆck nicht auf
dem Ausschuss liegt. Dieses โ€žLochโ€œ in Decke oder Schwarte kann den Eintritt des Verhitzens zeitlich hinauszรถgern, allerdings nicht uฬˆber mehrere Stunden. Ist der Ausschuss beispielsweise durch Gescheide verstopft, kann das Stuฬˆck Wild bereits beim Auffinden verhitzt sein. Die Umgebungstemperatur spielt, und dies mag viele Jรคger erstaunen, eine wesentlich geringere Rolle, als allgemein angenommen. Der Grund: Das Verhitzen des Wildbrets kommt in erster Linie durch den im Kรถrper produzierten Wรคrmestau, der zur stickigen Reifung fuฬˆhrt โ€“ die Umgebungstemperatur hat dabei nur bedingt Einfluss. Bei diesem Wรคrmestau bilden sich in den Fleischzellen anstelle der fuฬˆr die Fleischreifung gewuฬˆnschten Milchsรคure die unerwuฬˆnschte Buttersรคure, Schwefelwasserstoff und der Blutfarbstoff Porphyrine. Das Wildbret nimmt eine brรคunlich bis kupferrote Farbe an, schillert an der Oberflรคche, riecht unangenehm scharf und stickig, ist trocken und bruฬˆchig. Ein nicht ruฬˆckg.ngig zu machender Vorgang, der auch bei versorgtem, jedoch nicht ausreichender Luฬˆftung und Kuฬˆhlung ausgesetztem Wild (Transport im Kofferraum, Aufeinanderlegen des Wildes, Aufhรคngen in enger Wildkammer, Nicht-Luฬˆften) zeitlich genauso schnell ablรคuft wie bei einem unaufgebrochenen Stuฬˆck Wild. Dem Verhitzen folgt die Fรคulnis, die durch Gasbildung in den inneren Organen, in der Muskulatur sowie unter Brust- und Bauchfell, durch schmierige Belรคge auf der Fleischoberflรคche und durch fauligen Geruch auffรคllt.

Wild kann schon nach 90 Minuten verhitzen
In unguฬˆnstigen Fรคllen (zum Beispiel bei schwerem, gestressten Wild, ohne Ausschuss, starke Sonneneinstrahlung auf den Wildkรถrper mit zusรคtzlichem Aufheizeffekt) kann ein Verhitzen des Wildbrets bereits nach 90 Minuten eintreten. Je mehr Zeit bis zum Aufbrechen vergeht, desto grรถรŸer ist daher die Wahrscheinlichkeit, dass das Wildbret durch stickige Rfung nicht mehr essbar ist. Hiervon kann generell bei abends oder in der Nacht beschossenem und am nรคchsten Morgen nach kurzer Nachsuche verendet angetroffenem Schalenwild ausgegangen werden.

Kupferrote Verfรคrbung und
Schwefelgeruch: Das kennzeichnet
die stickige Reifung
Verhitzungsgefahr auch bei Kรคlte
Viele Jรคger halten seit Jahrzehnten an der Aussage fest, dass ein in kuฬˆhler Herbst- oder in kalter Winterzeit auf der Nachsuche verendet aufgefundenes Stuฬˆck Wild der Gefahr des Verhitzens weniger ausgesetzt sei als in der warmen Sommerzeit. Dass diese Aussage aber nur in ganz bestimmten Einzelfรคllen (groรŸer, oben liegender Ausschuss mit ร–ffnung der Brust- und Bauchhรถhle und tiefe Frosttemperaturen) zutreffend, generell aber nicht richtig ist, wissen neben Gastronomen und Wildhรคndlern auch all jene Jagdpraktiker, die solches Wild nachfolgend selbst zerwirkt haben.
In der Wildkammer sind die zuvor im Revier nicht wahrgenommenen, auf ein teilweises oder totales Verhitzen des Wildbrets hinweisenden Verรคnderungen im Geruch und die im Inneren der Muskel erfolgten Verfรคrbungen eindeutig feststellbar. Warum das auch in der kuฬˆhlen Jahreszeit bei dem โ€žWinterwildโ€œ vorkommt? Ganz einfach: Das Winterhaar isoliert stรคrker als das Sommerhaar. AuรŸerdem ist zur Herbst- und Winterzeit die ebenfalls isolierende Fettschicht unter Schwarte und Decke wesentlich dicker. Der Temperatur- Austausch ist trotz kalter Umgebungstemperatur wesentlich geringer und langsamer als bei einem Stuฬˆck im Sommerhaar mit geringer Fettschicht unter Schwarte oder Decke. Nach zwei Stunden wird es kritisch Beim Auffinden von Wild, das nicht lรคnger als zwei Stunden nach dem Verenden gelegen hat, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sein Wildbret noch nicht verhitzt ist, da die die Fleischreifung bedingenden und auch zur stickigen Reifung fuฬˆhrenden biochemischen Prozesse erst kurzzeitig angelaufen sind. Sie haben also noch nicht den gesamten Wildkรถrper, insbesondere die Ruฬˆcken- und Keulenmuskulatur, erfasst. Dass solche Stuฬˆcke anschlieรŸend an luftigem Ort hรคngend schnell auskuฬˆhlen muฬˆssen, ist eine wichtige Bedingung fuฬˆr die Gewinnung verzehrfรคhigen Wildbrets. Bei allen Stuฬˆcken, die spรคter als zwei Stunden nach dem Verenden aufgefunden werden, ist ein beginnendes beziehungsweise bereits erfolgtes Verhitzen des Wildbrets zu unterstellen. Gut zu erkennen ist das Verhitzen an starker Gasbildung im Magen- beziehungsweise Darmkanal, an der Verfรคrbung der Bauchorgane und der Bauchinnenhaut. Dabei gilt: Je schwerer das Stuฬˆck (hรถheres Wรคrmepotential), desto weiter fortgeschritten ist die stickige Reifung. Dass auch nach dem Versorgen eines ohne Nachsuche zur Strecke gekommenen Stuฬˆckes Wild das Wildbret durch Wรคrmestau verhitzen kann, sollte ebenfalls bedacht werden. Das erlebte ein Revierpรคchter, der einen abends von einem Jagdgast erlegten 28 Kilogramm schweren Frischling eine Stunde spรคter in den Keller seiner Jagdhuฬˆtte gehรคngt hatte und ihn am nรคchsten Tag wegen Verhitzens als stinkenden Kadaver entsorgen musste. Die Kellertemperatur von zwรถlf Grad Celsius hatte nicht ausgereicht, das Wildbret rechtzeitig herunterzukuฬˆhlen. Eine der Ursachen fuฬˆr das Verhitzen kรถnnte ruฬˆckblickend auch das lรคngere Schlegeln des Frischlings nach dem Schuss gewesen sein. Bei dem noch kurzfristig funktionierendem Blutkreislauf erhitzte sich der Schwarzkittel durch die Muskelaktivitรคt und den Stress zusรคtzlich.

Schwarzwild in Mais und Suhle
Wer schon einmal in einer Vollmondnacht ein am Maisfeld beschossenes und in diesen hineinfluฬˆchtendes Stuฬˆck Schwarzwild nachgesucht hat, der wird festgestellt haben, dass im Maisschlag hรถhere Temperaturen herrschen als drauรŸen. Der Grund: Die Blรคtter der Maispflanzen wirken wie eine Markise โ€“ das am Tage durch Sonneneinstrahlung aufgeheizte Feld kuฬˆhlt sich in der Nacht wesentlich langsamer ab als beispielsweise eine Wiese. Damit ist die Gefahr des Verhitzens des Wildkรถrpers besonders hoch. Hinzu kommt,dass bei einem Stuฬˆck Schwarzwild, das sich vor dem Schuss den Magen voll Mais geschlagen hat, nach dem Verenden relativ rasch die Gรคrung des Mageninhaltes beginnt. Gรคrung,ein durch Mikroorganismen verursachter biochemischer Prozess, fuฬˆhrt zur Gasbildung mit einem gleichzeitigen Anstieg der Temperatur in der Gรคrmasse (Mageninhalt). Die Folgen: Relativ schnelles Aufblรคhen des Wildkรถrpers bei zusรคtzlicher innerer Erwรคrmung, die ein Absinken der Kรถrpertemperatur zeitlich hinauszรถgert. Findet man solche Sauen erst Stunden nach dem Verenden, weisen sie alle Merkmale des Verhitzens und eine hohe Belastung des Wildbrets mit Erregern
auf. Wird der Wildkรถrper dann bei der amtlichen Fleischuntersuchung gespalten, sind im Bereich des Ruฬˆckenmarks die Zeichen eindeutig:Schmierige gruฬˆnliche Verfรคrbungen und  scharfer,unangenehmer Geruch. ร„hnliches ist uฬˆbrigens bei krank geschossenem Schwarzwild zu erwarten,das sich in den Sommermonaten in eine Suhle oder einen Schilfguฬˆrtel einschiebt und dort verendet. Der gegenuฬˆber der Umgebungstemperatur wรคrmere Schlamm wirkt wie ein Isoliermantel, verzรถgert das Absinken der Kรถrpertemperatur und beschleunigt das Verhitzen. Hinzu kommt,sofern das Stuฬˆck noch einige Zeit lebt, eine Infektion durch uฬˆber die Schusswunde eingedrungene Bodenbakterien, die uฬˆber die Blutbahn im ganzen Kรถrper umverteilt werden, mit kurzzeitig nachfolgender infektionsbedingter Erhรถhung der Kรถrpertemperatur auf 40 Grad Celsius und mehr. Eine amtliche Fleischuntersuchung (nicht zu verwechseln mit der amtlichen Untersuchung auf Trichinen!) mit bakteriologischer Untersuchung (BU) ist zwingend. Ansonsten: Entsorgen des Schwarzkittels in einem Tierkรถrperbeseitigungs-Unternehmen.

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