Wildtierkunde – Schalenwild – Rehwild

Der folgende Artikel ” Rehwild ” wurde uns freundlicherweise vom Kosmos Verlag zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um einen Auszug aus dem Buch “Wildtierkunde ” von Ekkehard Ophoven.  Der Autor studierte Forstwissenschaften und war viele Jahre als forstlicher und wildbiologischer Gutachter tätig. Seit 1988 arbeitet er als freier Redakteur. Neben verschiedenen Publikationen in Fachzeitschriften hat er  Buchbeiträge und eigene Bücher verfasst.

Rehwild Kosmos Wildtierkunde

Das vollständige Buch kann hier erworben werden.

Rehwild Bock
Foto: Eckhard Mestel

BIOLOGIE
Art: Reh (Capreolus capreolus),

Unterfamilie: Trughirsche (Odocoilinae)

KRL, Gewicht: 100–135 cm, 10– 25 kg, (männlich durchschnittl. stärker als weiblich)
Decke: Sommer: von rot-braun bis gelblich braun variierend; Winter: grau-braun bis grau, Spiegel weiß, weibliche Stücke mit weißem Haarbüschel
(Schürze) am Feuchtblatt; Kitze anfangs mit hellen Flecken, die sich ab etwa August verlieren.

Gehörn: Abwerfen Okt.–Dez. (Jan.), Verfegen März–Mai (Jährlinge bis Juni)

Zahnformel:   0 (1) 3 3 / 3 1 3 3 = 32 (34) (Milchgebiss 20 Zähne; Gebissentwicklung mit 13–15 Mon. abgeschlossen)
Fortpflanzung und Zuwachs: Blattzeit Juli – Mitte August (sehr slt. Nachbrunft Nov./Dez.); Tragzeit: ca. 290 Tage (inkl. Vortragzeit mit Eiruhe bist etwa Dez.), Jungenanzahl: 1, meist 2, slt. 3 Kitze; Zuwachs: 80–120% des weibl. Frühjahrsbestands

Laute: Schrecken; weibliche Rehe und Kitze: Lockfiep,
Sprengfiep (Ricken u. Schmalrehe), Angstgeschrei

Parasiten: Lungen-, Magen-Darmwürmer. Bandwürmer, Leberegel, Rachenbremse, Dasselfliege

Infektionen: Maul und Klauenseuche, Milzbrand, Rinderseuche (BSE), Tollwut

IM REVIER
Losung: im Winter einzelne walzenförmige bis kugelige Kotbeeren von 1,2–1,4 cm Länge und 0,7–1 cm Durchmesser; Sommerlosung oft breiig verklumpt
Tritt und Fährte: Trittsiegel 4–6 cm lang, 2,2–3,2 cm breit, etwa 1/3 der Länge ist Ballenabdruck. Unterscheidung der Geschlechter nicht möglich.
Schalen im Ziehen geschlossen, in der Fluchtfährte gespreizt; in Fluchtfährte Hinterlauftritte seitlich versetzt hintereinander und vor denen der Vorderläufe,
dazu Geäfterabdruck; Bock schränkt stärker als Ricke, wegen individueller Konstitutionsunterschiede aber untaugliches Merkmal

Trittsiegel des Rehs: links ziehend, rechts flüchtend
Trittsiegel des Rehs: links ziehend, rechts flüchtend

Sonstige Revierzeichen: Fege und Schlagstellen, Plätzstellen, Betten, Verbiss

Abschuss: Haupteingriffe (über 50% des Abschusses) in der Jugendklasse (Kitze, Schmalrehe und Jährlinge), als reif gelten Böcke i. d. R. ab 4 Jahren.
Jagdarten: Ansitz, Pirsch, Blattjagd, div. Formen der Bewegungsjagd
Ansprechmerkmale: Böcke: Figur (Vorschlag, Träger), Haupt, Miene, Verhalten, Zeitpunkt Verfärben/Verfegen; Gehörnentwicklung und -stärke (bedingt
bei Jährlingen und jungen Böcken); untauglich sind Dach oder Tellerrosen und Perlung des Gehörns, Maske und Muffelfleck

Ricken – Schmalrehe: Figur, Haupt, Miene, Verhalten, Verfärbezeitpunkt, Gesäuge (Spinne) führender Ricken nach dem Setzen im Ggs. zu Schmalrehen
(aber: s. Anm. beim Rotwild);
Kitze: Sichere Geschlechtsbestimmung im Sommerhaar nur beim Nässen, in der Winterdecke anhand Schürze bzw. deren Fehlen; beim Bockkitz
Rosenstockwachstum ab etwa Sommerausgang und Pinsel (unsicher, da nur fallweise erkennbar).

Alterschätzung am erlegten Stück: Gebissentwicklung bis etwa 15 Mon., später Zahnabnutzung; Stirnnaht (Verwachsungsgrad), Nasenscheidewand
(Verknöcherungsfortschritt)
Trophäe: Gehörn, Sommerdecke

Vorkommen und Lebensraum: Das Rehwild ist die weitest verbreitete und mit einer Jahresjagdstrecke von über einer Million Stücken allein in Deutschland auch die jagdlich bedeutsamste Schalenwildart des deutschsprachigen Raums.
Als „Hirsch des kleinen Mannes“ hat es diese Bedeutung nicht nur in rein quantitativer Hinsicht. Rehwild kommt mit Ausnahme Irlands, Korsikas und Sardiniens bis etwa zum 65. Breitengrad in ganz Europa vor. Der ideale Lebensraum des so genannten Schlüpfertyps sind Landschaften aus strauchholzreichen Mischwäldern, Feldern, Wiesen und anderen Freiflächen in kleinflächigem Wechsel mit entsprechend hohem Randzonenanteil.

Als ausgesprochener Anpassungskünstler besiedelt das Reh jedoch die unterschiedlichsten Lebensräume wie große Waldgebiete, waldfreie Feldlandschaften („Feldrehe“), Moore und Schilfgebiete und sogar Parks, Friedhöfe und andere urbane Grünzonen. Das Reh kann sich hervorragend an die Veränderungen der Kulturlandschaft anpassen. Davon zeugt der eindrucksvolle Bestandsanstieg der Wildart in den letzten Jahrzehnten in Deutschland. Die jährlichen Jagdstrecken als indirekte Bestandsweiser sind seit dem 2. Weltkrieg fast kontinuierlich angestiegen, noch in den letzten 25 Jahren um mehr als 25%.

Äußere Merkmale: Der gedrungene, keilförmige Körper, das kurze dreieckige Haupt, ein vergleichsweise langer, schlanker Träger, die gebogene Rückenlinie und die sprungkräftigen Hinterläufe, die deutlich stärker entwickelt sind als die Vorderläufe, kennzeichnen den Schlüpfertyp Reh als Bewohner busch- und randzonenreicher Landschaftsstrukturen. Der stummelartige Wedel ist nur ausnahmsweise zu erkennen. In der Winterdecke zeigen manche Rehe einen helleren, so genannten Drosselfleck auf der Trägervorderseite. In verschiedenen Regionen Nord- und Nordostdeutschlands kommen auch schwarze Rehe (Melanismus) vor, sehr selten sind weiße oder gescheckte Exemplare.

Rehwild verfärbt im April/Mai (Juni) und im September/Oktober – ältere Stücke verfärben unter normalen Bedingungen später als jüngere, Ricken i. d. R. erst nach dem Setzen ins Sommerhaar. Rehe haben neben den Laufbürsten an den Hinterläufen zusätzliche Duftdrüsen zwischen den Schalen (Klauendrüsen, Zwischenklauensäckchen), die wie Erstere der Fährtenmarkierung und Verständigung dienen. Mit dem Sekret der zwischen den Rosenstöcken liegenden Stirndrüse markiert der Rehbock im Frühjahr sein Territorium an Sträuchern und Zweigen (Stirnlockereiben). Eckzähne im Oberkiefer kommen beim Rehwild nur ausnahmsweise vor.

Gehörn: Nur der Bock trägt einen Kopfschmuck. Das neu gebildete Gehörn verfegen ältere Böcke im Frühjahr i. d. R. früher als jüngere und vor dem Verfärben, bei jüngeren setzt das Verfärben meist zuerst ein. Ab etwa August wachsen den Bockkitzen Rosenstöcke, das noch rosenlose Erstlingsgehörn wird ab November/Dezember geschoben, etwa einen Monat später verfegt und bei guter körperlicher Verfassung schon im Februar wieder abgeworfen. Das sofort darauf geschobene Jährlingsgehörn (mit Rosen) wird später als die nachfolgenden etwa im Juni/ Juli verfegt und im November/Dezember abgeworfen. Da der Rehbock sein Gehörn in der äsungsarmen Zeit schiebt, wird eine genetische Komponente stark von Umwelteinflüssen, v. a. der Äsungssituation, überlagert.

Sechsergehörn
Sechsergehörn
weibliches Reh
Foto: Frank Hecker

Das Gehörnspektrum reicht von knopfähnlichen Gebilden beim schwachen Jährling über das unvereckte Spießergehörn und das Gabelgehörn bis zur regelmäßigen Endform des Sechsergehörns, das aber auch der gut entwickelte Jährling schon tragen kann. Endenreichere Gehörne sind seltene Ausnahmeerscheinungen.
Die Gehörnstärke kulminiert im 4. bis 6. Lebensjahr. Gehörnabnormitäten wie Ein-, Drei- oder Mehrstangengehörne, Pendelstangen, Gehörnlosigkeit („Plattkopf“) oder Perückengehörne treten als Folge von Krankheiten, Verletzungen des Bastgehörns bzw. der Rosenstöcke oder aber hormoneller Störungen nach Verletzungen an den Brunftkugeln (Hoden) oder deren Verlust auf. Ernährung: Der Konzentratselektierer Reh ist auf leicht verdauliche, eiweißreiche Kost angewiesen und äst Kräuter, Gräser, Blüten, Klee, Blätter, Knospen und die junge Triebe von Sträuchern und Bäumen, v. a. Weichhölzern. Im Spätsommer und Herbst nimmt es außerdem Baumfrüchte, Wildobst, Beeren und Pilze. In der Feldflur äst es heranwachsendes Getreide und verschiedene Früchte.

Lebensweise: Den überwiegenden Teil des Jahres lebt das Reh standorttreu als Einzelgänger (Böcke) bzw. in Familieneinheiten aus Ricke und Kitzen des gleichen und des Vorjahres. Schmalrehe (weibliche Vorjahreskitze) verlassen die Ricke vor der Setzzeit, stehen vorübergehend gern bei älteren Böcken und gesellen sich nach der Brunft wieder zur Familie. Rehböcke besetzen ab März ein Einstandsgebiet, in dem sie bis Mitte der Blattzeit territorial leben und keine anderen Böcke dulden. Ihr Revier markieren sie durch Plätzen, Schlagen und Duftsekrete (Stirnlockereiben). Jährlinge und junge Böcke können zumeist kein Territorium behaupten. Gegen Ende der Blattzeit suchen die Böcke auch außerhalb des eigenen Territoriums nach brunftigen Rehen. Körperliche Auseinandersetzungen kommen bei den Einstandskämpfen und in der Blattzeit nur selten zwischen etwa gleichrangigen Böcken vor. Nach der Blattzeit verliert sich die Territorialität zunehmend. Auch weibliche Rehe besitzen ein Territorium, das sie zur Setzzeit gegenüber anderen weiblichen Stücken verteidigen. Im Herbst und Winter steht das Rehwild in kleinen, an günstigen Äsungsplätzen auch größeren Sprüngen unterschiedlicher Zusammensetzung zusammen. In reinen Feldrevieren werden in der winterkahlen Flur auch Sprünge aus mehreren Dutzend Rehen beobachtet.

Blattzeit: Der Bock brunftet nur mit einem weiblichen Stück während dessen drei bis vier Tage anhaltender Paarungsbereitschaft und sucht anschließend ein anderes brunftiges Stück. Vor dem Beschlag (Deckakt) „treibt“ der Bock das weibliche Reh – oft hörbar keuchend – über lange Zeit. Wird dabei der Bodenbewuchs in engeren, gleich bleibenden Kreisen niedergetreten, entstehen so genannte Hexenringe. Werden weibliche Rehe in Ausnahmefällen nicht beschlagen, kommt es zu einer Nachbrunft im November/ Dezember. Die Eiruhe entfällt dann. Hege: Der Äsungsverbesserung dienen Daueräsungsflächen, Wildäcker, Verbissgärten, Salzlecken und waldbauliche Maßnahmen wie die Förderung verbisstauglicher Weichhölzer.

Feldrehe zu Frühjahrsbeginn: Ganz links weibliches Stück mit Schürze, rechts Bock im Bast
Feldrehe zu Frühjahrsbeginn: Ganz links    weibliches Stück mit Schürze, rechts Bock im Bast. Foto: Karl-Heinz Volkmar

Die  Winterfütterung ist umstritten, da sich das Rehwild durch einen reduzierten Stoffwechsel an die winterliche Äsungsarmut anpasst und für das Reh echte Notzeiten unter den Klimaverhältnissen in Deutschland nur selten und regional begrenzt herrschen.

Bejagung: Die Haupteingriffe liegen bei den Kitzen, Jährlingen und Schmalrehen. Mehrjährige Böcke werden in den Abschussplänen nicht näher differenziert. Zur Abschussplanerfüllung müssen v. a. die Phasen erhöhter Aktivität und damit Beobachtbarkeit des Rehwilds zu Beginn der Jagdzeiten im Mai/Juni und September/ Oktober genutzt werden. Einige Wochen vor der Blattzeit und im Anschluss daran ist die Aktivität der Böcke stark eingeschränkt.

Jagdarten: Auf den Rehbock wird nur die Einzeljagd ausgeübt. Ein jagdlicher Höhepunkt des Jahres ist die Blattjagd auf den Rehbock in der Brunft. Mithilfe eines Buchen- oder Fliederblattes bzw. künstlicher Instrumente bringt der Jäger dabei mit den imitierten Lauten des weiblichen Rehs (Lock-, Sprengfiep, Angstgeschrei) den Bock zum Zustehen. Je nach Fortschritt der Blattzeit und Situation kann auch mit den Kontakt- oder Angstlauten des Kitzes die brunftige Ricke mitsamt nachfolgendem Bock angelockt werden. Solange die Kitze noch unselbstständig sind, dürfen führende Ricken immer nur mit bzw. nach ihren Kitzen erlegt werden. Die Erlegung eines Familiensprunges im September/Oktober, von Schmalrehen und ggf. nicht (mehr) führenden Ricken ist Aufgabe einer verantwortungsvollen Einzeljagd. Zur Zeit der Bewegungsjagden haben die Böcke meist schon Schonzeit und vielfach Gehörn abgeworfen. Das erfordert genaues Ansprechen in kurzer Zeit! Rehkitze werden deutlich früher unabhängig von der Mutter als z. B. Rotwildkälber. Ob und ab wann die Freigabe allen weiblichen Wildes auf der Bewegungsjagd vertretbar ist, hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab.

Schäden: Verbissschäden verursacht Rehwild durch das Abäsen der energiereichen Knospen junger Waldbäume. Ihr Ausmaß wird von vielen Faktoren wie Rehwilddichte, Baumartenspektrum und -häufigkeit, Waldstruktur und übriger Äsung etc. bestimmt. Unter den wichtigsten Wirtschaftsbaumarten sind Weißtanne, Eiche und Buche stärker verbissgefährdet als Fichte und Kiefer. Fege- und Schlagschäden verursacht der Rehbock mit dem Gehörn an jungen Gehölzpflanzen beim Entfernen der Basthaut oder später der Einstandsmarkierung. Verfegt werden v. a. Weichhölzer, Wildkirsche, Douglasie und Lärche.

Seltener Anblick: Ricke mit drei Kitzen
Seltener Anblick: Ricke mit drei Kitzen Foto: Karl-Heinz Volkmar

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