Eine Chesapeake-Bay-Retriever Hündin und ein Drahthaar-Rüde sollen im Vorstehen geschult werden. Die Anlagen dafür sind bei den beiden unterschiedlich stark ausgeprägt. Revierjagdmeister Sascha Schmitt musste deshalb alternative Wege beschreiten.
Mehrere prägende Erlebnisse auf Stöber- und Baujagden haben sich keinesfalls negativ auf das Vorstehen von „Grimm“ ausgewirkt. Grundsätzlich jage ich meine Vorstehhunde so früh wie möglich im Rahmen ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung ein. Das bedeutet auch, dass sie sich schon vor der Jugendsuche ihre Sporen an Sauen und Raubwild verdienen können. Bisher hat sich das nie negativ auf die Feldarbeit ausgewirkt.
Bei Retriever-Hündin „Bella“ war natürlicherweise die Anlage zum Vorstehen bei Weitem nicht so stark ausgeprägt wie bei „Grimm“. Das wurde schon zu Beginn der Ausbildung ersichtlich; nicht nur in der Länge des Ausharrens, sondern auch an der gesamten Körperhaltung. Während „Grimm“ zur Salzsäule erstarrt und sein ganzer Körper beim Vorstehen unter Spannung steht, sind die Vorstehposen von „Bella“ nicht ganz so elegant und dynamisch. Löste das „Hängsel“ den nötigen Reiz auf die Hündin aus, zeigte sie kurz das gewünschte Verharren, um dann sofort einzuspringen.
„Bella“, die bis dato komplett ohne Sau- und Fuchsjagderfahrung aufwuchs, offenbarte zwar eine vorhandene, aber vom Greiftrieb überlagerte und weitaus diffusere Vorstehanlage als der junge Drahthaar. In der Tat zeigte sich dabei deutlich das Ergebnis einer über Generationen reichenden Selektionszucht: Während beim Vorstehhund trotz ausgeprägter Trieblage die Anlage zum Vorstehen genetisch fest verankert ist, wird beim Apportierhund deutlich, dass hier das züchterische Augenmerk selbstverständlich auf ganz andere Schwerpunkte gerichtet wurde. Um das Vorstehen nun zu festigen, wurde täglich mit „Bella“ an der Reizangel gearbeitet. Peinlich wurde darauf geachtet, dass sie das Hängsel zumindest kurz vorsteht. Dafür wurde die Hündin ausgiebig gelobt. Sehr schnell war klar, das scharfer Tadel beim Einspringen und Fassen des Hängsels nicht den gewünschten Erfolg brachten: Negative Sanktionen hatten einen sofortigen Abbruch der Hündin zur Folge. Sie verlor jegliches Interesse an der Reizangel und ließ sich nur schwer für eine Wiederholung motivieren. In diesen Situationen muss der Ausbilder ruhig bleiben und jeden noch so kleinen Erfolg wieder positiv verstärken. Leckerlis und akustisches Lob hielten letztlich die Hündin bei der Stange.
Deshalb setze ich den Hunden immer unterschiedlich viele Wachteln vor. Um den Vierläufer zusätzlich daran zu gewöhnen, dass er von Feldkante zu Feldkante sucht, werden die Wachteln immer in die Nähe des Ackerrandes gestellt. Der Abstand zwischen den Vögeln wird so gewählt, dass der Vierläufer nicht sofort Wittrung von beiden bekommt. Außerdem muss er nach dem Vorstehen Zeit haben, um wieder in eine flüssige Suche zu finden. Gewiss ist es ein Nachteil, die Hunde nur an „fest sitzendes“ Wild zu bringen. So können sie nicht das Nachziehen und Festmachen am ablaufenden Federwild praktizieren. Aber vorrangig geht es darum, die Anlage zum sicheren Vorstehen herauszuarbeiten.
Wie zu erwarten, zeigte sich die Arbeit mit „Grimm“ zunächst erfreulich einfach. Nachdem die Wachteln im Suchengelände versteckt wurden, empfiehlt sich gerade bei niedrigen Temperaturen eine Wartezeit von mehreren Minuten, in denen sich eine „Wittrungswolke“ um den Vogel bilden kann. Anschließend wurde der Drahthaar an der Feldleine zur Suche geschickt. Die Feldleine dient dabei in erster Linie nicht als Notbremse, sondern als Signalgeber, mit dem man den Hund richtig in den Wind stellt und zur Wachtel leitet. Durch Anheben des Kopfes zeigte „Grimm“ sehr deutlich, dass er erste Wittrungsfetzen erfasst hatte. Ein Ruck ging durch den Vierläufer, und wie elektrisiert schlich er in Richtung Wachtel. Sobald sicher ist, dass die Wachtel wahrgenommen wurde, muss der Hundeführer auf der Hut sein. Sofort wird die Feldleine auf leichte Spannung gebracht, um den jungen Hund gegebenenfalls einbremsen zu können. Bereits bei der ersten Übung zog „Grimm“ sehr weit an und stand dann in sauberer Manier vor. Steht er fest vor, nähere ich mich mit dem Kommando „Steh!“ von der Seite. Dabei achte ich darauf, dass der Vierläufer mich aus dem Augenwinkel sehen kann. Viele Hunde neigen nämlich zum Einspringen, wenn der Führer von hinten an sie herantritt. Am Hund angekommen, wird dieser ruhig gelobt und auch abgeliebelt, während das Wort „Steh!“ ruhig wiederholt wird. Die gespannte Feldleine verhindert ein Einspringen schon im Ansatz, und jeglicher Versuch wird mit einem deutlichen Kommando sanktioniert. Der Befehl „Down“ kann dabei durchaus hilfreich sein. Er darf aber nur verwendet werden, wenn der Hund ihn auch kennt und zuverlässig ausführt. Jeglicher Druck seitens des Führers kann in Verbindung mit Wildwittrung fatale Folgen haben. Sollte der Vierläufer die negative Reaktion seines Herrn mit dem Wildkontakt verknüpfen, ist er auf dem besten Weg zum Blinker.
Man muss sich also genau über den Ausbildungsstand des Hundes im Klaren sein, bevor ein noch unzureichend gefestigtes Kommando zur falschen Zeit gegeben wird. Grundlegende Gehorsamsübungen betreibe ich daher nie im Revier, sondern auf einem Dressurplatz. So vermeide ich, dass sich eventuelle Spannungen aus dem Gehorsamsbereich in die jagdliche Erziehung übertragen. Vor allem die „Down“-Dressur kann sich durchaus negativ bei der Feldarbeit bemerkbar machen. Sollte sich der Hund nach dem „Down“-Befehl gehemmt in der Suche zeigen, ist das mit großer Wahrscheinlichkeit ein Indiz dafür, dass sich der Ausbildungsdruck ins Feld überträgt. In diesem Fall muss auf das „Down“ bei der Feldarbeit so lange verzichtet werden, bis der Hund die Übung auf dem Ausbildungsplatz tatsächlich richtig verknüpft und einsortiert hat.
Nach dem Vorstehen wird „Grimm“ grundsätzlich unter Lob ein Stück weit abgetragen und dann wieder zur Suche geschickt. Selbstverständlich versucht er bei den ersten Malen umgehend wieder zur ersten Wachtel zurückzukehren. Durch die Feldleine ist es aber ein Leichtes, ihn in die Richtung des nächsten Vogels zu dirigieren. Nach wenigen Übungen verstand „Grimm“, welches Verhalten von ihm erwartet wird. Sehr schnell bestach er durch sauberes und ausdrucksvolles Vorstehen.
Bereits diese Erfahrung lässt erkennen, dass das Vorstehen bei „Bella“ weniger als Anlage zu bewerten ist. Vielmehr ist es bei dem Retriever ein Produkt der Abrichtung. Keinesfalls sollte dieser Umstand als Mangel bei der aufgeweckten, emsigen Hündin angesehen werden. Vielmehr freue ich mich auf die kommende Ausbildung im Apport und vor allem am Wasser. Denn dabei hat „Bella“ schon sehr überzeugende Anlagen gezeigt und deutlich gemacht, wofür sie geschaffen ist.
Erst wenn das Vorstehen an der Feldleine richtig klappt, dürfen „Grimm“ und „Bella“ die beschriebenen Übungen frei arbeiten. Dabei ist das zuverlässige „Down“ aber unerlässlich. Nur dadurch lassen sich die Hunde augenblicklich am Einspringen hindern. Zusätzlich wird nach Rückgang der Schneelage jede Möglichkeit zum Vorstehen an Federwild genutzt, um die jungen Hunde an die Wittrung der verschiedenen Wildarten zu gewöhnen.