Zusammenstellung und Einsatz einer Saumeute

Saumeute

Elf Freunde müsst ihr sein.
Was dieses Zitat von Fußballtrainerlegende Sepp Herberger mit der Aufstellung einer Hundemeute zu tun hat, und wie das Zusammenspiel zwischen Rüdemann und Meute gelingt, weiß Revierjagdmeister SASCHA SCHMITT.

Grob unterschieden besteht eine Fußballmannschaft aus drei Bestandteilen: Sturm, Mittelfeld und Verteidigung. Es leuchtet ein, dass eine Mannschaft, die nur aus Defensivspielern oder Stürmern besteht, auf dem Fußballfeld keine großen Aussichten auf den Erfolg hat. Nur wenn der Trainer seine Aufstellung genau überdenkt und für ein ausgewogenes Verhältnis an Offensiv-, Mittelfeld- und Defensivspielern sorgt, wird er auf längere Sicht erfolgreich sein. Grundvoraussetzung dafür ist, dass ihm die Stärken und Schwächen seiner Mannschaftsmitglieder auch tatsächlich bekannt sind.
Diese Punkte sollte man bei der Zusammenstellung einer Hundemeute für die Schwarzwildjagd ebenfalls beachten. Beim Fußball soll das „Runde“ möglichst zügig ins „Eckige“ kommen. Bei der Saujagd sollen die Borstenträger zuverlässig gefunden und ihr Rottenverband durch ausreichenden Druck gesprengt werden. Brauchbare Hundemeuten sind bei der modernen Schwarzwildbejagung daher das Mittel der Wahl. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass eine Hundetruppe niemals einseitig aufgebaut sein darf, sondern sich ihre Leistung durch die Vielschichtigkeit der eingesetzten Hunderassen und deren Charaktere enorm steigert. Eine Meute, die zum Beispiel nur aus weitjagenden Findern besteht, funktioniert genauso wenig, wie die Meute, die nur aus kurz arbeitenden
Sprengern oder Packern aufgestellt ist. Während den Findern meist der Schneid fehlt, die Sauen so zu bedrängen, dass die Rotten die Dickung verlassen, fehlt es den kurzjagenden Sprengern meist am Finde- und Spurwillen, um ein großräumiges Gelände zuverlässig abzusuchen, das Wild zu finden und so lange auf der Fährte zu verfolgen, bis es die Schützen anwechselt. Auch der Einsatz der klassischen Findermeute hat große Nachteile. Diese Meuten haben den Aufbau, wie er in der alten Literatur beschrieben wird: Während ein oder zwei hochläufige Finder, meist Bracken oder Wachtel, das Gelände weiträumig absuchen, bummeln die Sprenger, Packer und Beihunde fast ausschließlich um den Hundeführer herum. Die Sprenger suchen nicht eigenständig nach Wild, sondern warten lediglich auf den Laut der Finder, um ihnen beizuschlagen. Während die Finder stark beansprucht werden und gerade in sehr großen Treiben mit dichtem Bewuchs häufig an ihre Leistungsgrenzen stoßen, umschwirrt der Rest der Truppe nur ihren Führer und vertreibt sich die Zeit oftmals mit Raufereien.
Natürlich kann dieser Teil der Meute auch im Treiben an Wild kommen. Das ist aber eher Zufall als systematische Arbeit. Fällt in dieser klassischen Aufteilung der Finder aus, bricht der gesamte Aufbau der Meute zusammen. Dasselbe ist der Fall, wenn die Finder an Rehwild kommen und diesem langanhaltend hinterherjagen. Gerade in den Randbereichen der Dickungskomplexe ist Rehwild die erste Wildart, auf die die Hunde stoßen. Durch die Abwesenheit des Finders gerät die Hierarchie und Arbeitsteilung komplett durcheinander. Genauso, wenn nicht der Führer, sondern die Hunde selbst ihre Rangfolge durch Konflikte und Raufereien bestimmen. Es kostet viel Zeit und Mühe, um die bis dato erbrachte Leistung wieder abrufen zu können. Wenn überhaupt einer der anderen Hunde
dazu in der Lage ist, die Rolle des Finders zu übernehmen, ist dies meist ein langwieriges Unterfangen. Wie der Titel dieses Beitrages aber schon verrät: Innerhalb der Meute muss Einigkeit und Harmonie herrschen! Konkurrenz und Streit im Team geht immer zu Lasten der Leistungsfähigkeit und der Moral der Truppe. Wie der Trainer beim Fußball, muss beim Jagen der Rüdemann dafür sorgen, dass in seiner Truppe einvernehmliche Ruhe herrscht. Jeglicher Ansatz von Kopfhundallüren sollten daher unterbunden werden. Reibereien müssen bereits im Keim und mit Nachdruck erstickt werden. Jeder Hund muss wissen, dass Raufen unangenehme Folgen für ihn hat.
Eine Meute nach klassischem Muster kann auch immer nur gemeinsam eingesetzt werden. Fehlt ein Zahnrad im sensiblen System, gerät es ins Stocken. Dies hat zur Folge, dass die Hundeführer immer gezwungen sind, mit der gesamten Mannschaft anzutreten, unabhängig von Größe, Bewuchs und Geländeformation der zu bejagenden Fläche. Für den Meuteführer wird es somit unmöglich, auf spezielle Eigenheiten des jeweiligen Revieres und individuell auf die jeweiligen Anforderungen und Hunde reagieren zu können. Ziel bei der Zusammenstellung einer Meute sollte also sein, dass möglichst Hunde mit unterschiedlichen Anlagen und Arbeitsweisen das Gelände selbstständig absuchen, Wild finden und aus dem Einstand werfen. Erreichen kann man dies aber nur, wenn jeder Vierläufer als Einzelhund ausgebildet und eingejagt wird, bevor er gemeinsam mit der Meute jagt. Nur so kann er seine eigenen, ihm angewölften Fähigkeiten entwickeln. Unter diesen Umständen lernt der Rüdemann seine Vierläufer wirklich kennen, kann sie fördern und schließlich beurteilen, wo und wie er sie einsetzt. Wird der noch junge Hund direkt in der Meute geführt, passiert es nur allzu leicht, dass seine Stärken nicht ausreichend gefördert werden. In der Vielzahl der Hunde geht er als Individuum unter und kann sich nicht entfalten. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr sich Hunde derselben Rasse in ihrem Wesen und ihrer Arbeitsweise unterscheiden. Sei es in der Weite ihres Jagens, der Schwarzwildschärfe oder im Arbeitswillen. Mit etwas Ahnenforschung und Kenntnis der einzelnen Zuchtlinien lässt sich jedoch in den einzelnen Rassen sehr gut der passende „Nachwuchsspieler“ finden. Auch wenn viel von der richtigen Einarbeitung und Abrichtung
abhängt: Das Rüstzeug für die Grundanforderungen eines brauchbaren Jagdhundes müssen ihm bereits im Blut liegen. Gefestigt werden können diese Anlagen jedoch nur durch langjährige und planmäßige Leistungs- und Reinzucht. Jeder ernstzunehmende Hundeführer sollte deshalb Abstand von den zum Teil abenteuerlichen  „Gebrauchskreuzungen“ nehmen. Denn wenn es sogar bei sorgfältig geplanten Würfen aus Leistungszuchten vorkommen kann, dass nicht alle Welpen dem Zuchtziel entsprechen, ist es offensichtlich, dass bei gedankenlos durchgeführten Kreuzungen höchstens vom Schuss ins Blaue gesprochen werden kann – mit ungewissem Ausgang und Ergebnis. Von zielführender, durchdachter Verpaarung mit absehbaren Folgen und einem klar definierten
Zuchtziel kann dabei keine Rede sein.

Eine Hundemeute kann sehr wohl aus den herkömmlichen Rassen gebildet werden. Sowohl aus Vorstehhunden, Jagdoder Foxterriern und Wachtelhunden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Bracken und Wachtel die klassischen Weitjager sind, der Deutsche Jagdterrier mittelweit, Foxterrier und Vorstehhunde eher kurzjagende Vertreter sind. Gewiss gibt es – bedingt durch die Einarbeitung und das Naturell jedes einzelnen Hundes – individuelle Abstufungen und fließende Übergänge. Aber auch Ausnahmen können die Regel bestätigen. So stöbert zum Beispiel die Kurzhaar-Hündin „Sadhu“ sehr weiträumig. Aus diesem Grund besetzt sie besonders in großen Treiben gemeinsam mit Wachtelhündin „Ronja“ die beiden Stürmerpositionen, um den Vergleich mit einer Fußballmannschaft wieder heran zuziehen.

Beide Hunde suchen das Gelände in der Tiefe ausgedehnt ab und gewährleisten so, dass auch in großen Dickungskomplexen zügig Wild gefunden und hochgemacht wird. Mit sicherem Laut jagen sie es dann zu den Schützen. Das weite, selbstständige Stöbern und lange Ausarbeiten der Fluchtfährte ist mit Sicherheit nicht der klassische Arbeitsstil für einen Vorstehhund. Bei der individuellen Ausbildung und Prüfungsvorbereitung des Hundes kristallisierte sich dies aber als seine große Stärke heraus. Heute wird genau diese Tatsache beim Einsatz der Hündin berücksichtigt.

Genauso bilden die beiden Deutsch- Kurzhaare „Attacke“ und „Josef“ gemeinsam mit den Jagdterriern „Watz“, „Hexe“, „Räuber“, „Gilda“ und der Foxterrierhündin „Donna“ das Mittelfeld. Dabei können die beiden Vorstehhunde in ihrer Arbeitsweise fast schon zu den kurzjagenden Mannschaftsmitgliedern gezählt werden. Kommen sie an Wild, jagen sie es meist nur kurz an und kehren wieder ins Treiben zurück. Die Terrier hingegen bleiben länger hart am Ball. Insbesondere wenn ich ausschließlich mit den Vorstehhunden jage, arbeiten „Josef“ und „Attacke“ sehr führerbezogen. Freunde und Bekannte bezeichnen die mittelweit jagenden Hunde scherzhaft auch als „20 Minuten-Jäger“. Dies bedeutet nicht etwa, dass für diese Vierläufer die Jagd nach dieser Zeitspanne beendet ist, sondern dass sie regelmäßig in bestimmten Abständen von sich aus Kontakt mit ihrem Führer aufnehmen, um dann weiterzujagen. Die mittelweit jagenden Hunde durchstöbern aber ebenfalls nicht im Pack, sondern solojagend, breit gefächert das ihnen zugewiesenen Gelände. Im Gegensatz zu den Weitjagern lassen sie sich durchaus im Treiben lenken und gezielter einsetzen als die Wachtelhündin „Ronja“ und Kurzhaar „Sadhu“. Hat einer der Vierläufer Sauen gefunden und gibt Standlaut, schlagen seine Mitstreiter jedoch selbstverständlich bei und unterstützen ihren Meutegenossen am Wild.
Durch diese zeitnahe Hilfe werden lange Standlautszenen vermieden und durch den mit jedem beischlagenden Vierläufer größer werdende Druck wird der Rottenverband schnell gesprengt. Gerade die Vorstehhunde bewähren sich beim Sprengen der Rotten immer wieder. Wenn neben den schnellen, wendigen Terriern einige wildscharfe Vorsteher zwischen die Rotte fahren, flüchtet sie sehr schnell in alle Himmelsrichtungen und zerspritzt wie Glas unter dem Hammer. Neben der Erhöhung des Jagderfolges bringt dieses schnelle Sprengen der Rotten einen weiteren wichtigen Effekt: Sicherheit für die eingesetzten Hunde. Je länger sich Sauen, insbesondere gröbere Stücke, stellen und zur Wehr setzen, desto größer ist die Gefahr, dass die Hunde vom Schwarzwild geschlagen werden. Sind die Sauen erst einmal in Bewegung und flüchten vor den wildscharfen Hunden, sinkt das Verletzungsrisiko der Sauhunde auf ein Minimum. Deutsch-Langhaar-Rüde „Voss“ und Foxterrier „Gero“ übernehmen in meiner Aufstellung die Posten der Verteidiger. Beide jagen sehr kurz und befinden sich immer in Rufweite. In erster Linie entspricht diese Art des Jagens ihrer Veranlagung. Im Zuge der Ausbildung und während des Einjagens wurden sie jedoch bewusst gefördert und in ihrem Jagen verkürzt. Gerade „Voss“ und „Gero“ finden so diejenigen Stücke, die von der Rotte versprengt wurden (Frischlinge und abseits steckende Einzelsauen) und schnell überlaufen werden könnten. Beide Rüden lassen sich im Treiben gezielt lenken und einweisen, weil sie immer in der Hand des Führers stehen. Beim Angehen von Standlautsituationen treffen sie nahezu zeitgleich mit mir ein, was gerade bei angeschweißten Stücken auch ein Plus an Sicherheit für ihre Meutegenossen ist.

Dadurch, dass jeder Vierläufer der Gruppe einzeln eingejagt ist und selbstständig Wild findet, ist es möglich, die Meute in ihrer Anzahl und Zusammensetzung dem jeweiligen Revier anzupassen.Während in großräumigen, dichten Einstandskomplexen mit der gesamten Truppe gejagt wird, kommen zum Beispiel in Schilfgebieten mit hohem Wasserstand nur die Vorstehhunde zum Einsatz. Dort, wo die Vorstehhunde noch laufend das Schilfgebiet absuchen können, wären die kurzläufigen Terrier schon zum Schwimmen gezwungen und würden wegen ihrer geringen Körpermasse schnell auskühlen und erschöpfen. Auch in felsigem Gelände mit hohen Absprüngen sind die großen Hunde im Vorteil. Werden nur kleine Einstände bejagt, oder ist das Treiben in der Nähe von Straßen
oder Reviergrenzen, werden nur die kurz- und einige mittelweit jagende Vierläufer eingesetzt. Um die Mannschaft bereits im Vorfeld richtig zusammenstellen zu können, brauchen sowohl Fußballtrainer als auch Rüdemann möglichst viele Informationen über den Einsatz. Während der Trainer die gegnerische Mannschaft meist anhand aufgezeichneter Spiele analysiert und sich so seine Taktik zurechtlegt, klärt der Rüdemann Detailfragen bereits im Vorfeld mit dem Revierpächter am Telefon ab.

Herrschen dann noch Unklarheiten, wird sich bei einem Ortstermin ein Bild des Geländes und der dortigen Verhältnisse gemacht. Tatsächliche Gewissheit, ob die Zusammenstellung der Mannschaft wirklich optimal war, bekommt man jedoch oft erst nach dem Jagdtag. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten dann aber dazu beitragen, dass die Aufstellung und der Einsatz der Vierläufer abgeändert und die Strategie selbstkritisch überdacht wird, um bei der nächsten Saujagd entsprechend gerüstet zu sein. Denn wie heißt es beim Fußball so schön: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!

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